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Tiki Gelana jubelt über ihren Erfolg beim Amsterdam Marathon 2011.
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Große Champions auf der Suche nach dem Re-Start-Button
Beim Amsterdam Marathon hoffen zwei Superstars, wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren. Der zweifache Weltmeister Abel Kirui und die Olympiasiegerin Tiki Gelana treffen dabei auf starke Konkurrenz. Besonders das Rennen der Herren verspricht einen spannenden Kampf um die vorderen Plätze.
Im direkten Umfeld der Marathon-Giganten Berlin, Chicago, Frankfurt und New York ist der Amsterdam Marathon häufig unterschätzt. Doch der Event in der holländischen Hauptstadt zieht jährlich über 40.000 Läuferinnen und Läufer aus aller Welt an und hat sich längst in der Belle-Etage der Marathon-Veranstaltungen etabliert. Auch die Elitefelder können sich sehen lassen, vor allem die Startaufstellung der Herren sorgt beim Marathon-Fan für Zunge schnalzen. Drei Läufer haben eine Bestleistung von unter 2:05 Stunden, drei weitere eine unter 2:06 Stunden, fünf weitere eine unter 2:07 Stunden und sieben weitere eine unter 2:10 Stunden. Auch wenn der ganz ganz große Star fehlt, in dieser Startaufstellung steckt unheimlich viel Qualität und heizt die Erwartungen auf ein heißes Rennen an.

Kirui und die blendende Vergangenheit
Vor Jahren war Abel Kirui eine der ganz großen Nummern im internationalen Marathon-Geschäft. Seine Erfolgsgeschichte begann übrigens beim Vienna City Marathon, wo er vor mittlerweile sieben Jahren sich der Marathon-Welt mit einem Erfolg vorstellte. Doch der einst leuchtende Stern Kiruis verschwand mit Verletzungsproblemen nach den Olympischen Spielen von London, wo er Silber gewann, hinter dem Horizont. Für den Amsterdam Marathon sterbt er nun eine Art Start zur zweiten Karriere an. Diesen Plan hatte Kirui allerdings bereits im Vorjahr verfolgt. In der entscheidenden Phase konnte der angeschlagene kenianische Kämpfer nicht mehr mithalten, hielt jedoch durch und taumelte wie ein angeknockter Boxer ins Ziel. Hier endeten auch Kiruis Träume von WM-Titel Nummer drei in Peking, denn die Zeit von 2:09:45 Stunden reichte natürlich nicht für eine Bewerbung für das kenianische Team.

Über Amsterdam nach Rio
Demnach hat der mittlerweile 33-Jährige nicht die besten Erinnerungen an Amsterdam, doch das mildert nicht seine Kämpfernatur. „Ich bin glücklich, dass meine Vorbereitung so gut verlaufen ist. Ich bin mehr denn je überzeugt, hier eine persönliche Bestleistung laufen zu können und den Streckenrekord angreifen zu können. Ich bin fit, mein Körper ist in bester Verfassung.“ Große Töne für einen Mann, dessen persönliche Bestleistung bei 2:05:04 Stunden liegt, der aber zuletzt vor sechs Jahren unter 2:07 Stunden gelaufen ist – trotz der WM-Titel von Berlin und Daegu. Sein Hoffnungsschimmer ist jedoch eine neue Herangehensweise. „Nach der Verletzungsmisere habe ich gelernt, auf meinen Körper zu hören. Damals war ich ein verrückter Läufer, heute bin ich reifer und intelligenter.“ Den Traum von Olympia hat Kirui noch nicht aufgeben, ein fantastisches Ergebnis in Amsterdam und der 33-Jährige will sich wieder ins Spiel bringen, in Rio für Kenia sein Bestes zu geben.

Zwei Amsterdam-Sieger
Die Aufgabe ist für Kirui angesichts des breiten Elitefelds wahrlich keine leichte. Mit der Startnummer eins geht der überraschende Vorjahressieger Bernard Kipyego ins Rennen, der 2014 eine persönliche Bestleistung von 2:06:22 Stunden gelaufen ist und sehr überzeugt hat. Mit dieser Vorleistung ist der 29-Jährige der Siebtschnellste der Startliste und damit bestenfalls Außenseiter. Nach seiner Pleite im Vorjahr, als er das Handtuch werfen musste, will der dreifache Amsterdam-Sieger und Streckenrekordhalter Wilson Chebet zurück auf die Erfolgsspur. Der 30-Jährige hat gegenüber seinen Konkurrenten einen Vorteil: Die Gunst der Zuschauer ist auf seiner Seite, eine in andere Sportarten übliche Plattitüde würde lauten: Wilson Chebet ist der Publikumsliebling beim Amsterdam Marathon. Dank seines Hattricks in den Jahren 2011 bis 2013 haben ihm die Amsterdamer den Spitznamen „Mr. Amsterdam“ verliehen und der erfahrene Marathonläufer weiß: Adel verpflichtet!

Fragezeichen hinter Sorgenkind Mekonnen
Mit Jonathan Maiyo und Mike Kigen sind zwei weitere schnelle Kenianer im Feld. Doch im Gegensatz zu anderen Jahren wollen die Äthiopier den Rivalen aus Kenia das Feld im Amsterdam nicht kampflos überlassen. Ein äthiopischer Sieg in der holländischen Hauptstadt wäre bei den Herren allerdings eine Seltenheit. Seit dem Jahrhundertwechsel gewannen nur zwei Äthiopier – Haile Gebrselassie 2005 und Getu Feleke 2010, dagegen elfmal ein Kenianer in den vergangenen 13 Jahren. Die Äthiopier haben heuer ein flottes Quintett am Start: Tsegaye Mekonnen, Markos Geneti, Dadi Yami, Vierter in Seoul, Feyisa Bekele, Vierter in Amsterdam 2012, und Chala Dechasa.

Die besten Chancen auf einen äthiopischen Sieg haben natürlich Markos Geneti und Tsegaye Mekonnen. Geneti, mit seinen 31 Jahren als ehemaliger Bahn-Läufer ein erfahrener Marathonläufer, fehlt in seiner Vita noch ein ganz großer Erfolg der Marke Amsterdam Marathon. Mekonnen hat diesen Erfolg beim Dubai Marathon 2014 mit einem inoffiziellen Junioren-Weltrekord von 2:04:32 Stunden bereits auf der Habenseite, damals übrigens vor Geneti. Der 20-Jährige ist in seiner Heimat Hoffnungsträger und Sorgenkind in Personalunion. Die frühen Erfolge und das sagenhafte Talent haben die Erwartungen in die Höhe geschnellt, seit rund einem Jahr schafft es Mekonnen allerdings nicht, die Leistungen im Jugendalter zu bestätigen. Die Diskussionen über seine Person sind in seiner Heimat so intensiv, dass sich selbst der große Haile Gebrselassie öffentlich eingemischt hat. Und Hailes Meinung hat Gewicht. „Es war ein großer Fehler, ihm so früh zu erlauben, Marathons zu laufen. Ich selbst bin mit 15 Jahren in Addis Abeba einen Marathon gelaufen und hätte beinahe mit Laufen aufgehört. Ich konnte mich eine Woche lang nicht bewegen. Marathon ist nichts für Junioren. Die Leistungen nach jenem Dubai Marathon sprechen Bände“, erklärt sich die äthiopische Lauflegende den Leistungsabfall seines jungen Landsmanns. Dieser gibt sich im Vorfeld des Amsterdam Marathon aber betont angriffslustig: „Ich will beweisen, dass ich wieder stark bin. Ich will den Streckenrekord angreifen und schneller laufen als damals in Dubai. Ich will untermauern, dass ich Äthiopiens Nummer eins bin.“ Eine hartnäckige Erkrankung, die einen Start beim diesjährigen London Marathon unmöglich gemacht hatte, ist längst Geschichte.

Olympiasiegerin strebt zweiten Amsterdam-Sieg an

Ähnlich wie „Leidensgenosse“ Abel Kirui ist die Äthiopierin Tiki Gelana seit längerer Zeit auf der Suche nach der alten Leistungsstärke. 2012 gewann sie in einer Fabelzeit von 2:18:58 Stunden den Rotterdam Marathon und stieg wenige Monate später in London auf den Olymp. Seit diesem riesigen Erfolg fehlt die Bestätigung, die Tiki Gelana nun beim Amsterdam Marathon 2015 anstrebt. Ein dritter Platz zu Jahresbeginn beim Tokio Marathon war ein Hoffnungsschimmer, dass es bergauf geht. Die 27-Jährige hat beste Erinnerungen an das alt ehrwürdige Olympiastadion von Amsterdam, welches im kommenden Sommer die Leichtathletik-Europameisterschaften beheimaten wird, in deren Rahmen allerdings aufgrund der Terminkollision mit Olympia kein Marathon auf dem Programm steht. Vor vier Jahren siegte Gelana hier in einer Zeit von 2:22:08 Stunden und sorgte dabei für die zweitschnellste Siegerzeit in der Geschichte der Veranstaltung.

Kenianerinnen in der Rolle der Herausforderinnen
Wenn man der Statistik glaubt, ist ein äthiopischer Sieg beim Amsterdam Marathon der Damen nicht unwahrscheinlich. Denn im Gegensatz zu den männlichen Kollegen agierten die Äthiopierinnen in der holländischen Hauptstadt stets erfolgreich und feierten seit 2000 acht Siege, unter anderem durch Betelhem Moges im Vorjahr, die heuer allerdings nicht dabei ist. Als größte Herausforderin von Gelana gilt die Kenianerin Flomena Cheyech, die 2013 den Vienna City Marathon und 2014 den Paris Marathon gewinnen konnte. Die Äthiopierin Meseret Legese und die Kenianerinnen Lucy Karimi und Joyce Chepkirui, amtierende Afrikameisterin im 10.000m-Lauf haben nur Außenseiterchancen. Doch besonders die 27-jährige Chepkirui, Zehnte beim Boston Marathon, lehnt sich ordentlich aus dem Fenster: „Ich bin in guter Form und erwarte eine persönliche Bestleistung. Eine Zeit unter 2:25 möglich, vielleicht sogar eine 2:21er Zeit.“ Einige Experten haben bereits öffentlich bekundet, dass sie ihr den Sprung in die Marathon-Weltklasse zutrauen. Das Feld der Damen ist, wie fast immer bei den großen Laufveranstaltungen in den Niederlanden, qualitativ nicht so hochwertig und breit aufgestellt wie jenes der Herren.

Amsterdam Marathon
Text: SIP / TK
Foto: Amsterdam Marathon / Orange Pictures