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Daumen hoch für eine tolle Leistung!
NEWS
Überglückliche Florence Kiplagat setzt ein wichtiges Zeichen
Nach zwei für ihren hohen Anspruch mäßigen Marathons und den verpassten Weltmeisterschaften von Peking hat Florence Kiplagat ihr Ziel Olympia-Teilnahme mit einem beeindruckenden Erfolg in Chicago auf die erhoffte Art und Weise anvisiert. Der Sieg in einem spannenden Ausscheidungsrennen ist ein wichtiges Signal in Richtung kenianischen Verband.
Nur Augenblicke nachdem sie das Zielband durchtrennt hatte, riss sie jubelnd die Hände in die Luft, unterstützte ihre Geste mit einem freudigen Kreischen, warf sich unmittelbar hinter der Zeitnehmungsmatte zu Boden, jubelte auf dem Rücken liegend lautstark, drehte sich bäuchlings und streckte mit einem breiten Grinsen im Gesicht den erhobenen rechten Daumen in die Luft. Manchmal geben Emotionen einen detaillierten Einblick ins Gefühlsleben eines Marathonstars. Florence Kiplagat stand unter Druck, nachdem sie ihre letzten Marathon-Ziele allesamt verpasst hatte. Im Wissen, dass nur ein gutes Resultat beim Chicago Marathon ihre Chancen auf die sehnsüchtige Olympia-Teilnahme intakt halten würde, entluden sich nach vollbrachter Mission sämtliche Gefühle. Denn die 42,195 Kilometer durch die Chicago hatten ihr und allen anderen gezeigt: Ich hab’s drauf!

Harter Konkurrenzkampf
Eine hohe Hürde, vor der Florence Kiplagat steht, ist die große Konkurrenz im kenianischen Marathongeschäft, welches nirgends auf der Welt so hart ist wie in Kenia. Bei den Damen mindestens genauso intensiv wie bei den Herren. Wer an großen internationalen Meisterschaften teilnehmen möchte, muss sich mit absoluten Topleistungen empfehlen. Und dafür haben Kiplagats letzte Leistungen, welche von anderen Verbänden als Weltklasse eingestuft würden, im kenianischen Umfeld nicht gereicht. Der Sieg beim Chicago Marathon 2015,  ihr insgesamt dritter großer Marathon-Erfolg und der erste seit zwei Jahren, ist allerdings tauglich, um ein Signal Richtung kenianischen Leichtathletikverband zu schicken und gegenüber ihren Widersacherinnen vorzulegen. Der Kampf um Rio ist seit gestern in Kenia offiziell eröffnet. Speziell wenn man bedenkt, dass keine Pacemaker das Rennen beschleunigten, ist die Siegerzeit von 2:23:33 Stunden absolut sehenswert.

Ausscheidungsrennen mit spannendem Finale
Die Ausgangsposition für Kiplagat in Chicago war keine einfache. Als erklärte Favoritin stand sie unter Druck, siegen zu müssen, allerdings formierte sich starke äthiopische Konkurrenz um sie. Wer gedacht hatte, der erste Chicago Marathon seit 26 Jahren ohne Pacemaker, würde zum taktischen Abwarten mutieren, hatte sich rasch getäuscht. Florence Kiplagat setzte sich kurz nach dem Start in Führung, die Halbmarathon-Weltrekordhalterin war um ein hohes Tempo bemüht. Wenig später sprang die überraschend starke Japanerin Kayoko Fukushi in die Bresche und ging an die Spitze, der muntere Auftakt ließ die Erwartungen an das Rennen steigen. Und der Marathon blieb spannend. Bis zur Schlussphase hielten sich sechs Eliteläuferinnen gemeinsam an der Spitze, als bei Kilometer 38 die entscheidende Tempoverschärfung Bewegung ins Spiel brachte. Die später siegreiche Kenianerin hatte sich gemeinsam mit Yebrgual Melese vom Rest der Spitzengruppe gelöst, wenig später attackierte Kiplagat noch einmal und kreierte eine Lücke. Alleine lief Kiplagat ihrem ersten Chicago-Sieg entgegen, doch Vorentscheidung war keine gefallen, denn die Äthiopierin hielt Sichtweite zur Führenden. Doch die 28-jährige Halbmarathon-Weltmeisterin von 2010 brach nicht mehr ein und vollende ihr Prachtstück. „Die Renntaktik ist einfach anders, wenn keine Pacemaker im Rennen sind. Ich habe das Rennen von vorne stets unter Kontrolle gehabt“, rekapitulierte die Mutter zweier Töchter – auch ein wichtiges Signal Richtung Olympia 2016.

Starke äthiopische Auftritte
Zwar konnten die in den vergangenen Jahren in Chicago dominierenden Äthiopierinnen den erst zweiten kenianischen Sieg in den letzten 14 Jahren in „Windy City“, die ihrem Spitznamen wieder einmal alle Ehre machte, nicht verhindern, die Leistungen der äthiopischen Läuferinnen waren jedoch lobenswert. Erst durch ihre starke Gegenwehr gegen Kiplagat wurde das Rennen so spannend. Am Ende fehlten Melese, die heuer den Prag Marathon gewann, nur zehn Sekunden auf den totalen Triumph. „Der Wind hat das Rennen sehr schwer gemacht“, sagte sie. Dennoch: Für die 25-Jährige, die ihre persönliche Bestleistung nur um 20 Sekunden verbesserte, war dieser Auftritt der wohl beste ihrer Marathon-Karriere. Für einen großartigen Spannungsbogen sorgte ein furioser Schlusssprint um den dritten Platz. Kayoko Fukushi, WM-Bronzemedaillengewinnerin von Moskau, holte in ihrem erst zweiten Marathon seit damals auf der Zielgeraden noch einmal alles heraus, doch Birhane Dibaba hielt dagegen und rettete sich eine Sekunde vor der Japanerin ins Ziel. Mit ihrem dritten Platz in Chicago schob sich die erst 22 Jahre alte Tokio-Siegerin auf Rang zwei der World Marathon Majors Serie, sieben Punkte hinter Weltmeisterin Mare Dibaba, die – nach der Disqualifikation von Rita Jeptoo – in Chicago ihren Vorjahressieg nicht verteidigt hat. Florence Kiplagat rangiert nun auf Rang vier.

US-Masters-Rekord für Kastor
Zwei große Jubiläen wollte der Chicago Marathon gemeinsam mit ihren aktiven Protagonistinnen feiern, eines fiel ins Wasser. Joan Benoit-Samuelson, die vor 30 Jahren einen den denkwürdigsten Chicago Marathon aller Zeiten gewann – übrigens über zwei Minuten schneller als Kiplagat 2015 und ebenfalls ohne Pacemaker – verzichtete aufgrund einer Viruserkrankung im Vorfeld auf einen Start, legte aber abseits der Laufstrecke einen sympathischen und engagierten Auftritt hin. Deena Kastor, die vor zehn Jahren als bisher letzte US-Amerikanerin den Chicago Marathon gewinnen konnte, verfolgte das Ziel, einen neuen US-amerikanischen Masters-Rekord im Marathonlauf zu erreichen – mit Erfolg. In einer Zeit von 2:27:47 Stunden blieb die 42-Jährige knapp eine Minute unter der alten Marke von Coleen De Reuck. „Die Flamme brennt und die Leidenschaft ist noch da“, jubelte die US-Rekordhalterin über ihre Leistung, welche sie auf Platz sieben führte, ohne vergessen anzuführen, dass ihre Familie und Gesundheit nun eine höhere Priorität als hohe Marathonziele hätten. Dabei hatte die erfahrene Läuferin das Rennen hervorragend eingeteilt, profitierte zu Rennmitte von einer Dreiergruppe mit der Dänin Jessica Petersson und der Britin Susan Partridge und setzte sich in der zweiten Hälfte von ihnen ab, überholte noch Diane Nukuri und vollendete einen perfekt geplanten 42,195 Kilometer langen Lauf. Mit Sara Hall, die ihre persönliche Bestleistung gleich um 17 Minuten verbesserte, kam noch eine zweite US-Amerikanerin dank eines starken Finals in die Top Ten, wo sich mit Jessica Petersson auch eine Europäerin befindet.


Ergebnis Chicago Marathon der Damen


1. Florence Kiplagat (KEN) 2:23:33 Stunden
2. Yebrgual Melese (ETH) 2:23:43 Stunden
3. Birhane Dibaba (ETH) 2:24:24 Stunden
4. Kayoko Fukushi (JPN) 2:24:25 Stunden
5. Mulu Seboka (ETH) 2:24:40 Stunden
6. Meskerem Assefa (ETH) 2:25:11 Stunden
7. Deena Kastor (USA) 2:27:47 Stunden
8. Diane Nukuri (BDI) 2:29:13 Stunden
9. Jessica Draskau-Petersson (DEN) 2:30:07 Stunden
10. Sara Hall (USA) 2:31:14 Stunden

Chicago Marathon
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images