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Eliud Kipchoge ließ sich beim Berlin Marathon so wenig wie möglich von seinen herausragenden Innensohlen beirren.
NEWS
Die heimlichen Berlin-Stars: Innensohlen im Rampenlicht
Während zahlreiche internationale Medien den Berlin Marathon mit der Schlagzeile des verpassten Weltrekordes unzureichend zusammengefasst haben, staunt die Laufwelt über den aktuell wohl besten Marathonläufer Eliud Kipchoge. Doch die eigentlichen Stars beim Berlin Marathon waren zwei Innensohlen. Denn sie waren dafür verantwortlich, dass der Berlin Marathon 2015 nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird.
Die Frage sei berechtigt: Wie kann es sein, dass beim (aufgrund der Weltrekord-Ambition) wichtigsten Marathon des Jahres ausgerechnet beim wichtigsten Läufer im Feld ein derartiges Materialproblem auftritt? Die Antwort ist dieselbe wie auf die Frage nach den Zielen Eliud Kipchoges beim schnellsten Marathon der Welt: Das Streben nach dem Weltrekord!

Am Limit
Dass die Innensohlen am neuen Nike-Laufschuh des späteren Siegers bereits wenige Kilometer nach dem Start ihre angedachte Funktion aufgaben und seitlich hinten aus dem Schuh ragten, zeigt eindrucksvoll, dass im Streben nach Höchstleistungen auf allen Ebenen sämtliche Grenzen ausgelotet werden. Das gilt sicherlich einerseits für die Vorbereitung des Sportlers gleich wie andererseits für die Ausstattung. Denn in Abhängigkeit zur Leistung des Athleten soll das perfektionierte Material die entscheidenden Sekunden herausholen. Dafür werden Grenzen offensichtlich bis aufs Letzte ausgereizt. „Eliud hat einen Prototyp erstmals im Rennen eingesetzt. Wir haben an diesem Schuh gemeinsam seit einigen Monaten gearbeitet“, erklärt ein Sprecher der Firma Nike. Und fügte lapidar an: „Wie bei jedem Prototyp kann etwas schief gehen. In diesem spezifischen Fall hat die Einlegesohle ihren Dienst quittiert. Wie bei jeder Innovation werden wir sehr schnell von diesem Fehler lernen.“ Die Erklärung des US-amerikanischen Sportartikelherstellers ist sehr sachlich und nüchtern. Berufsrisiko also, wer das beste Material haben will, muss das Risiko eingehen. Kipchoges Agent Jos Hermens präzisierte den Grund für den Lapsus: „Das Problem war, dass die Innensohlen nicht gut genug angeklebt waren und deshalb haben sie sich unglücklicherweise gelöst.“

Kipchoge demonstriert Rückendeckung für Nike

Es ehrt Eliud Kipchoge mit Sicherheit, dass er erst trotz des gebrochenen Materials weitergekämpft hat wie ein Löwe und anschließend die Probleme mit der Zwischensohle nicht als Ausrede für eine verpasste, bessere Leistung gelten ließ. Obwohl ihn die wild umherflatternden Zwischensohlen garantiert behindert haben. Erstens, weil ihn diese Bescheidenheit nach außen sympathisch macht im Gegensatz zu anderen, verbissenen Weltrekordjägern in der Leichtathletik, die bei einem Scheitern gleich öffentlich lospoltern. Und zweitens, weil er seinem Partner Nike den Rücken stärkte: „Das war definitiv der beste Schuh, den ich jemals gelaufen bin.“ Ob in internen Gesprächen diese Gelassenheit ebenfalls zu Tage kommt, ist angesichts des riesigen Prestiges im Marathon-Business mehr als fraglich. Aber wer zwischen den Zeilen liest: Kipchoge demonstrierte in Berlin indirekt, dass er weiß, für einen möglichen Weltrekord das ideale Material unter seinen Füßen zu benötigen. Sollte Kipchoge im nächsten Jahr nach Berlin zurückkehren, was angesichts der Olympischen Ambitionen nicht sehr wahrscheinlich ist, und noch einmal den Weltrekord attackieren wollen, wird ein besonderer Druck auf den Schultern von Nike liegen.

Innensohle nicht gut genug angeklebt
Kipchoges Manager Jos Hermens bestätigte die Aussagen seines Athleten, dass er diesen Prototyp bereis in Kenia getestet hatte und diese Tests einen positiven Verlauf genommen haben. Außerdem sei der Kenianer bereits beim London Marathon mit einem sehr ähnlichen Typ Schuh gelaufen. Während aus Sicht des Herstellers ein vermeidbarer Anfängerfehler große Auswirkungen hatte, war aus Sicht des Athleten eine große Portion Pech dabei. Viele Laufschuhe haben lose Innensohlen, welche leicht aus dem Innenbereich des Schuhs entfernt werden können. Bei Wettkampfschuhen, die oft über dünnere Innensohlen verfügen, ist es nicht unüblich, dass sie angeklebt sind. Egal ob angeklebt oder nicht, normalerweise bleiben Innensohlen dort, wo sie sind. Dass sie aufgrund der Laufbewegung des Athleten bei Kipchoge auf diese drastische Art in Bewegung gerieten, dass sie aus den Schuhen herausragten, ist bemerkenswert. Es könnte an seiner kraftvollen Vorfuß-Lauftechnick liegen, welche die lose Innensohle auf Dauer nicht kompensieren konnte und durch Bewegungen im Schuhinneren nach hinten gedrückt wurde. Experten vermuten, hätte ein „normaler Läufer“, also einer, der nicht einen so schnellen und kraftvollen Rhythmus verfolgt wie Kipchoge, in diesen Schuhen gesteckt, wären die Innensohlen locker an ihrem vorgesehenen Platz geblieben.

Schmerzen als Folge
Eines ist klar: Eliud Kipchoge wird seinen sechsten Wettkampf-Marathon nie vergessen, nicht nur, weil er eine persönliche Bestleistung gelaufen ist. Und auch nicht nur aufgrund der Kuriosität mit herausragenden Innensohlen. „Ich habe einige Blasen erlitten und mein großer Zeh hat einen Cut erlitten. Da war jede Menge Blut in meinem linken Schuh“, stellte der Kenianer unmittelbar nach dem Rennen fest. Jos Hermens erzählte, dass Kipchoge am Tag nach dem Berlin Marathon Schmerzen am gesamten Körper verspürte. „Die Auswirkungen des harten Asphalts war durch das Fehlen der Innensohle sehr hoch“, erklärte der Holländer.

Berlin Marathon
Text: SIP / TK
Foto: SIP / Johannes Langer