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Gladys Cherono erzielte mit einer tadellosen Vorstellung die drittschnellste Siegerzeit der Damen in der Geschichte des Berlin Marathon
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Gladys Cherono verpasst Streckenrekord um 13 Sekunden
Spätestens bei ihrem zweiten Marathon überhaupt hat die Kenianerin Gladys Cherono die absolute Weltklasse erreicht. Beim Berlin Marathon 2015 verpasst sie den Streckenrekord nur knapp und läuft die elftschnellste Zeit der Geschichte. Für großen Jubel sorgt die Schweizerin Maja Neuenschwander, die einen neuen, fabelhaften Landesrekord läuft. Noch sensationeller ist die Leistung einer Niederländerin.
Lediglich sechs Läuferinnen ist es in der Geschichte des Marathons jemals gelungen, eine schnellere Zeit zu bewerkstelligen als Gladys Cherono bei ihrem ersten Auftritt in der deutschen Hauptstadt. Dabei hatte sie bis dank einer beeindruckenden Schlussphase sogar noch den Streckenrekord der Japanerin Mizuki Noguchi aus dem Jahre 2005 ins Blickfeld genommen, den sie mit ihrer Siegerzeit von 2:19:25 Stunden schlussendlich nur um 13 Sekunden verpasste. Auch die Deutsche Irina Mikitenko war bei ihrem Sieg 2008 minimal schneller als Cherono sieben Jahre später. Immerhin sorgte die amtierende Weltmeisterin im Halbmarathon aber für die erste Zeit unter 2:20 Stunden in Berlin seit vier Jahren.

Duell mit Kebede
Bereits früh im Rennen war klar, dass das erwartete Duell um den Sieg zwischen Gladys Cherono und Aberu Kebede von keiner Überraschungstäterin gestört werden würde. Seite an Seite absolvierten sie den Kurs durch die deutsche Hauptstadt zwischen Kilometer 18 und Kilometer 35. Dann wurde der Äthiopierin, die 2010 und 2012 in Berlin gewonnen hatte, das Tempo etwas zu schnell und eine Lücke öffnete sich, die die 26-Jährige nicht wieder schließen konnte. Cherono schöpfte aus dieser Entwicklung neue Motivation. Bei ihrem ersten Marathon im Januar in Dubai hatte sie sich noch im Schlusssprint trotz einer fabelhaften Leistung der Äthiopierin Aselefech Mergia geschlagen geben müssen, in Berlin ließ sie sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen und erreichte die Ziellinie in einer überragenden Weltjahresbestleistung. „Ich hatte nicht erwartet, dass ich so schnell sein würde und freue mich riesig über diesen Sieg und diese Leistung“, gab die Siegerin bei der Pressekonferenz zu Protokoll.

Spätstarterin
Dass Gladys Cherono bereits in ihrem zweiten Marathon eine derartige Marke erreichte, ist erstaunlich. Noch erstaunlicher, wenn man die bisherige sportliche Karriere als Basis dieses Erfolgs analysiert. Die Kenianerin fiel in jungen Jahren bei Straßenrennen kaum auf und holte sich nach langen Jahren der Geduld und des Wartens erste Erfolge erst nach einem Wechsel auf die Bahn. Als es nach der WM-Silbermedaille über 10.000m bei den Weltmeisterschaften von Moskau zurück auf die Straße ging, erfolgte der Durchbruch. Im vergangenen Jahr krönte sie sich zur Halbmarathon-Weltmeisterin. Den Übergang zum Marathon als nahtlos zu bezeichnen, wäre angesichts dieser Leistung in Berlin eine unverschämte Untertreibung. Zwar ist Cherono bereits 32 Jahre alt, doch im Marathon mit zwei absolvierten Rennen noch ein Küken mit viel Potenzial. Denn zur zweitschnellsten Läuferin aller Zeiten, ihre Trainingspartnerin Mary Keitany, fehlt nicht einmal mehr eine Minute!

Kein Hattrick
Aberu Kebede war nach Berlin zurückgekehrt, um als erst dritte Läuferin der 41-jährigen Geschichte der Veranstaltung einen Dreifachsieg zu landen. Angesichts der überragenden Cherono hatte die Äthiopierin keine Chance und der zweite Platz in einer Zeit von 2:20:48 Stunden war wahrlich keine Enttäuschung. Das Niveau, auf dem sich die Kenianerin in Berlin bewegt hat, liegt einfach im (aktuell) nicht erreichbaren Bereich für die erfahrene Marathonläuferin. Immerhin verpasste die 26-Jährige ihre persönliche Bestleistung, welche von ihrem Erfolg 2012 stammt, lediglich um 18 Sekunden. Der zweite Platz war absolut ungefährdet, denn die ehemalige Siegerin des Amsterdam Marathon, Meseret Hailu konnte dem Spitzenduo nicht folgen und belegte am Ende mit großem Respektabstand den dritten Platz vor ihrer Landsfrau Tadelech Bekele.

Schweizer Rekord für Neuenschwander
Hinter der ostafrikanischen Spitze gab es aus europäischer Sicht zwei sensationelle Leistungen. Allen voran die Niederländerin Andrea Deelstra, 13. der letzten Europameisterschaften: Die 30-Jährige verbesserte ihre persönliche Bestleistung um unfassbare sechs Minuten, um in einer Zeit von 2:26:46 Stunden auf Rang fünf ins Ziel zu kommen. Damit verpasste die Überraschungsläuferin des Tages den niederländischen Rekord der gebürtigen Kenianerin Lornah Kiplagat um rund drei Minuten. Deelstras Bestzeit im Marathon ist nun gut dreieinhalb Minuten schneller als die Verdoppelung ihrer Halbmarathon-Bestleistung!

Über einen neuen nationalen Rekord konnte sich die sechstplatzierte Maja Neuenschwander freuen, die in einer Zeit von 2:26:49 Stunden ins Ziel kam und ihre persönliche Bestleistung damit um knapp drei Minuten verbesserte. Erst zum zweiten Mal in ihrer Karriere blieb die 35-Jährige unter der 2:30-Stunden-Marke und realisierte einen sportlichen Traum: Der Schweizer Landesrekord von Franziska Rochat-Moser, die vor 21 Jahren in Frankfurt eine Zeit von 2:27:44 Stunden gelaufen war, ist nun überholt. „Heute hat wirklich sehr, sehr vieles gepasst. Das war nahe am perfekten Rennen. Besser hätte es nicht aufgehen können. Ich habe den Tag X optimal vorbereitet und konnte hier zeigen, was ich drauf habe“, freute sich die Bernerin, die sich auch bei der hervorragenden Arbeit ihrer Pacemaker bedankte. Damit ist Neuenschwander, die im Frühjahr beim Vienna City Marathon ihren bis dato größten sportlichen Erfolg gefeiert hat, auch für die Olympischen Spiele von Rio de Janeiro qualifiziert. „Dass ich diesen Schritt nach vorne gemacht habe, gibt mir Sicherheit, wie auch die Tatsache, dass ich einige sehr gute Läuferinnen geschlagen habe. Ich weiß jetzt, dass ich solche Zeiten laufen kann. Im Hinblick auf ein taktisches Rennen in Rio gibt das einigen taktischen Spielraum“, erklärte sie.

Katzenjammer bei Hahner
Sieg beim Vienna City Marathon und persönliche Bestleistung beim Berlin Marathon – diese Ereignisfolge hat sich Maja Neuenschwander bei Anna Hahner abgekupfert. Denn diese Beschreibung resümiert perfekt die Saison 2014 von Anna Hahner. Wenn Neuenschwanders Karriere weiterhin ein Jahr versetzt zu Hahner verläuft, sollte sie im kommenden Jahr eher auf einen Antritt in Berlin verzichten. Denn Anna Hahners Saisonhöhepunkt 2015 lief alles andere als gewünscht. Das Olympialimit des DLV von 2:28:30 Stunden als Vorgabe, steht sie nun mit einer Zeit von 2:30:19 Stunden und Rang 13 mit leeren Händen da. „Ich war mir so sicher, dass ich die Olympia-Norm laufen kann“, sagte sie nach dem Rennen frustriert. Kein Wunder, dass die Emotionen sie nach dem Zieleinlauf übermannten und Tränen der Enttäuschung über die Wangen kullerten. „Bis zur Halbmarathon-Marke lief alles gut, aber dann wurde es zäh“, analysierte die ansonsten immer offene und gesprächsfreudige Deutsche kurz und knapp. „Ich habe sehr gut trainiert, aber es in den Wettkämpfen nicht zeigen können.“

Während Hahner das Olympia-Limit im Frühjahr erneut in den Fokus nehmen muss, ist die Äthiopierin Fate Tola nach Rang zehn in einer Zeit von 2:28:24 Stunden eine Kandidatin. Die zweifache Siegerin des Vienna City Marathon lebt seit Jahren in Deutschland und könnte für Deutschland in Rio de Janeiro starten, sofern sie rechtzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt.


Ergebnis Berlin Marathon der Damen


1. Gladys Cherono (KEN) 2:19:25 Stunden
2. Aberu Kebede (ETH) 2:20:48 Stunden
3. Meseret Hailu (ETH) 2:24:33 Stunden
4. Tadelech Bekele (ETH) 2:25:01 Stunden
5. Andrea Deelstra (NED) 2:26:46 Stunden
6. Maja Neuenschwander (SUI) 2:26:49 Stunden
7. Lisa Nemec (CRO) 2:27:57 Stunden
8. Tomomi Tanaka (JPN) 2:28:00 Stunden
9. Sonia Samuels (GBR) 2:28:04 Stunden
10. Fate Tola (ETH) 2:28:24 Stunden

52. Sylvia Klenkhart (AUT) 2:54:03 Stunden
74. Claudia Rosegger (AUT) 2:59:28 Stunden
75. Astrid Kaltenböck (AUT) 2:58:58 Stunden

Berlin Marathon
Text: SIP / TK
Foto: SIP / Johannes Langer – SCC Events / Jiro Mochizuki