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Genau in diesem Moment hat Dennis Kimetto am 28. September 2014 Geschichte geschrieben. Als erster Läufer der Welt bewältigte er eine Marathon-Strecke unter 2:03 Stunden.
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Berlin: Die Marathon-Strecke mit dem Abo auf dem Weltrekord
Seit zwölf Jahren fallen Marathon-Weltrekorde bei den Herren nur in Berlin – und das in beachtlicher und intensivierter Häufigkeit. Daher stellt sich jedes Jahr dieselbe Frage: Erleben wir am Wochenende in Berlin einen neuen Weltrekord? Die wichtigsten Zutaten, die es für einen Marathon-Weltrekord braucht, werden in der deutschen Hauptstadt regelmäßig serviert.
Der Berlin Marathon hat ein Abonnement auf den Marathon-Weltrekord. Zumindest auf dem der Herren. Seitdem der Kenianer Paul Tergat 2003 in Berlin eine Zeit von 2:04:55 Stunden gelaufen ist, wurde die historische Bestmarke nur in der deutschen Hauptstadt gebrochen. Und das inklusive Tergats Marke gleich sechsmal in den vergangenen elf Jahren und nicht weniger als dreimal seit 2011. Dass Berlin die Weltrekordstrecke schlechthin ist, ist also historisch belegt. Ob diese unfassbare Serie am Sonntag weitergeht, und der Weltrekord von Dennis Kimetto wirklich fällt, liegt mitunter in den Händen der schnellen Kenianer Eliud Kipchoge, Emmanuel Mutai und Geoffrey Mutai. Hängt gleichzeitig aber auch an anderen Faktoren, mit denen Berlin in den letzten Jahren immer Glück hatte. Die Zutaten dieser unglaublichen Serie an Weltrekorden und schnellen Zeiten ist das Zusammenspiel der folgenden Weltrekord-Zutaten, die allesamt eine wichtige Rolle einnehmen und nur bei sehr guter Harmonie Weltrekorde ermöglichen.

Die Strecke:
Die logische Basis für einen Weltrekord über eine Distanz von 42,195 Kilometer ist eine schnelle Strecke. Zwar ist Berlin nicht die einzige schnelle Marathon-Strecke der Welt. Auch in Dubai, Chicago und London kann man beispielsweise außergewöhnlich schnell laufen, doch sie zählt definitiv zu den schnellsten. Dabei ist der 42,195 Kilometer lange Kurs durch Berlin gar nicht so kurvenarm, auch wenn enge und abrupte Richtungsänderungen eher die Ausnahme bilden. Doch sie ist bretteben und auch die zu überlaufenden Brücken stellen keine nennenswerten Anstiege dar. Der maximale Höhenunterschied zwischen dem tiefsten und dem höchsten Punkt der 42,195 Kilometer langen Strecke beträgt etwas mehr als 25 Meter. Damit ist Berlin die mit Abstand flachste Strecke der sechs zur World Marathon Majors zählenden Big Player, die in der Regel die besten Athleten beschäftigen.

Das Wetter:
Wenn Eliteläufer nicht die erhofften Zeiten anbieten können oder an Streckenrekorden vorbeischrammen, ist die am häufigsten als erste gewählte Äußerung das Wetter die Erklärung. Meistens steckt da nur die halbe Wahrheit dahinter oder mit diesem Statement werden andere Faktoren kaschiert, aber eines ist auch klar: Sehr gute Wetterbedingungen sind eine wichtige Basis für überdurchschnittlich gute Leistungen. Und da das Wetter – sowohl von den Temperaturen und den Windbedingungen – vom Menschen nicht beeinflussbar ist, spielt hier die Komponente Glück eine wesentliche Rolle. Der Veranstalter des Berlin Marathon scheint einen herausragenden Vertrag mit dem Wettergott unterschrieben zu haben. Beim traditionellen Termin am letzten September-Sonntag haben in Berlin in den letzen Jahren immer nahezu ideale Laufbedingungen geherrscht. Das soll auch in diesem Jahr so sein, denn die Prognosen sind hervorragend. Auch wenn es für detaillierte Vorhersagen noch etwas früh ist, Wetterexperten erwarten für Sonntag optimale äußere Bedingungen für schnelle Laufzeiten.

Die Athleten:
Die wichtigste Zutat für einen Marathon-Weltrekord ist selbstverständlich der Athlet, der ihn realisiert. Oder besser gesagt, die Athleten. Denn ein Feld mit einem Weltrekordaspirant und ansonsten nur Durchschnittsläufern ist kaum weltrekordfähig. Seit Renndirektor Mark Milde in Berlin am Ruder sitzt, ist es ihm Jahr für Jahr gelungen, die besten der Welt nach Berlin zu lotsen. Das begann mit Vierfachsieger Haile Gebrselassie, der zweimal den Weltrekord in Berlin verbesserte, und ging in den letzten Jahren jeweils mit den besten Kenianern weiter. Heuer hieß das Zugpferd in den Bemühungen des Berlin Marathons von Beginn an Eliud Kipchoge, der im Gegensatz zu den letzten beiden Berlin-Weltrekordlern Dennis Kimetto und Wilson Kipsang auf eine WM-Teilnahme verzichtete – sicherlich auch dank einer schönen Prämie und der Möglichkeit, verdammt schnell zu laufen. Die besten Leute einzukaufen ist selbstverständlich nur bei einem entsprechenden Budget möglich, denn auch im Marathon-Geschäft regiert Geld die Welt. Und da der Berlin Marathon, ohnehin gut gebettet, in der Zusammenstellung der Elitefelder stets einen Fokus auf die Herren legt, lässt der finanzielle Rahmen einen beeindruckenden Spielraum zu.

Das Starterfeld für den Berlin Marathon bei den Herren ist heuer auf dem Papier ohnehin ein überragendes: Neben Eliud Kipchoge, der in London gewann und damit der schnellste Läufer des Jahres ist, starten mit Emmanuel Mutai der zweitschnellste Marathonläufer aller Zeiten und mit Geoffrey Mutai der zweitschnellste Marathonläufer aller Zeiten, wenn man die nicht rekordtaugliche Strecke des Boston Marathon mit einkalkuliert. Harmonieren diese drei Athleten und werfen all ihre Fähigkeiten in die Waagschale, steht einem flinken Rennen nichts im Wege.

Die Pacemaker:
Ein Läufer kann nicht 42,195 Kilometer in einer Zeit von 2:03 Stunden laufen, wenn er die Strecke alleine absolvieren muss. Punkt. Die notwendige Unterstützung kommt von den Pacemakern, die den Aspiranten für schnelle Zeiten das richtige Tempo vorgeben, ihnen einen angenehmen Rhythmus ermöglichen und ihnen damit zubilligen, im Kräfte- und Energiesparenden Windschatten zu laufen. Meistens arbeiten die Pacemaker bis Kilometer 30, erst dann beginnt die erhoffte Vollendung durch die Stars. Die Verpflichtung der Pacemaker ist eines der offenen Geheimnisse des Berlin Marathon, denn der Veranstalter scheut keine Kosten und Mühe, um die besten Pacemaker einzukaufen. Meistens sind die Pacemaker selbst Weltklasse-Marathonläufer, die mit ihren Fähigkeiten ein erfolgreiches Fundament bauen können, auf dem die Stars im Finale an ihrem Denkmal arbeiten.

Das Flair:
Das Image und der Ruf des Berlin Marathon wirkt natürlich positiv auf die Psyche der Läufer ein. Denn jene Marathon-Stars, die nach Berlin kommen, wissen aus der Vergangenheit, dass die Bedingungen für schnelle Läufe gegeben sind. Und selbstsichere Athleten sind im Rennen für gewöhnlich leistungsfähiger als zweifelnde Athleten. Sprich: Wenn man als Eliud Kipchoge vom Berlin Marathon verpflichtet werde, weiß man, a) dass man dem Anspruch, Weltrekord zu laufen, den er sicherlich hat, nachgehen kann, b) dass der Berlin Marathon einem vertraut, dass man es schaffen kann, eine superschnelle Zeit zu laufen und c) dass das Rennen optimal für einem ausgerichtet wird und die Bedingungen zu einer hohen Wahrscheinlichkeit optimal sein werden. Das selbe gilt natürlich auch für die beiden Mutais.

Schnelle Zeiten auch bei den Damen
Dank des regelmäßigen Zusammenspiels dieser fünf Faktoren genießt der Berlin Marathon unter den Stars der Szene einen hervorragenden Ruf. Und das lässt sich auf der Liste der Siegerzeiten leicht ablesen. Denn neben den sechs Weltrekorden überzeugen auch weitere Leistungen. In den letzten zehn Jahren lag nur ein einziges Mal die Siegerzeit über 2:07 Stunden, zwei weitere Male über 2:06 Stunden. Über 2:09 Stunden blieb zuletzt der zweifache Marathon-Weltmeister Abel Anton 1996, der letzte Sieger mit einer Zeit von über 2:10 Stunden war der Südafrikaner Xolile Yawa im Jahre 1993. Man bedenke, zur damaligen Zeit gehörten diese Marke zur absoluten Weltklasse.

Auffallend ist, der Berlin Marathon genießt eine Weltrekordflut der Herren, vermisst jedoch eine bei den Damen. Den letzten von insgesamt drei Berlin-Weltrekorden der Damen lief die Japanerin Naoko Takahashi 2001 in einer Zeit von 2:19:46 Stunden. Dass seither eine Attacke auf den Weltrekord fehlt, liegt daran, dass Paula Radcliffe anfangs des Jahrtausends eine neue Ära eröffnet hat, in die keine andere Athletin nicht einmal ansatzweise vordringen konnte. Und da die Britin in ihrer besten Zeit nie in Berlin gelaufen ist, blieben Weltrekord-Ambitionen aus. Dass die Strecke durch die deutsche Metropole allerdings schnell ist, beweisen auch die Siegerzeiten bei den Damen, die – trotz häufig fehlender Spitzenbesetzung – in den letzten 13 Jahren immerhin fünfmal unter 2:20 Stunden lagen und zehnmal unter 2:22 Stunden.

Berlin Marathon
Text: SIP / TK
Foto: SCC Events / photorun – SSC Events / Jiro Mochizuki