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Das sieht man im Marathon selten. Synchron jubeln die Siegerin Mare Dibaba und die zweitplatzierte Helah Kiprop beim Zieleinlauf.
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Dibaba gewinnt Sprintspektakel im Marathon gegen Kiprop
Das Feld der Favoritinnen wartet sehr lange mit den spannenden Phasen dieses WM-Marathons, in den kurvigen Passagen der Schlussphase geht es dafür ordentlich zur Sache und es entwickelte sich ein irre spannendes Finale. Die endgültige Entscheidung muss in einem Zielsprint fallen, einzigartig in der Geschichte von WM-Marathons. Das beste Ende hat die junge Äthiopierin Mare Dibaba für sich.
Zwar hatte sich bereits bei Kilometer 26 die Spreu vom Weizen getrennt und sich eine zwölfköpfige Spitzengruppe herauskristallisiert, aber diese Tempoverschärfung war vorerst nur ein laues Lüftchen. Bei einer kollektiven Tempoverschärfung siebeneinhalb Kilometer später splitteten die Kenianerinnen, die unter der Regie von Edna Kiplagat agierten und auf die Anweisungen der zweifachen Weltmeisterin warteten und reagierten, die Spitzengruppe auf sechs Läuferinnen, unter denen sich neben den drei Kenianerinnen auch die Äthiopierinnen Mare Dibaba und Tigist Tufa sowie Eunice Kirwa aus Bahrain befanden. Als Erste musste die überraschende Siegerin des heurigen London Marathon, Tigist Tufa gut sechs Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen. Die nächste, die es erwischte, war dann schon Edna Kiplagat, die bei Kilometer 40 leicht den Kontakt zum führenden Quartett verlor.

Entscheidung im Sprint
Die Zuschauer, die deutlich zahlreicher als beim Herren-Marathon die Strecke säumten, wurden für ihre Geduld mehr als entschädigt. Bis zum Stadionvorplatz war immer noch keine Entscheidung um die Medaillen gefallen und somit mussten die Preise in einem Schlusssprint ausgefochten werden – eine absolute Rarität in diesem Sport! Jemima Sumgong verlor im Tunnel ins Stadion leicht den Anschluss, Mare Dibaba zog von vorne eingangs der 100 Meter langen Zielgerade an, doch die Kenianerin Helah Kiprop hielt ordentlich dagegen. Schulter an Schulter ging es die erste Hälfte der Zielgerade hinunter, als sich die kleine Äthiopierin als die stärkere erwies und in einer Endzeit von 2:27:35 Stunden zum Weltmeistertitel vor Kiprop und Eunice Kirwa stürmte.

Dibaba schreibt Geschichte
Es gibt in der Leichtathletik-Geschichte Statistiken, die glaubt selbst der geneigte Experte kaum, aber sie treffen zu. Die Bronzemedaille von Aselefech Mergia in Berlin 2009 war die bisher einzige Medaille Äthiopiens im Marathon der Damen bei 14 Weltmeisterschaften! Sprich, Mare Dibaba ist die längst überfällige, erste Weltmeisterin aus dem begnadeten Läuferland an der Spitze Ostafrikas. „Ich bin so glücklich, dass ich für mein Land Gold holen konnte. Ich hatte Angst vor der Hitze hier. Aber zum Glück hat sich das Wetter auf heute etwas geändert“, freute sich die 25-Jährige. Zufallssieg war es definitiv keiner, denn sie hält nach ihrem Sieg in Xiamen in einer Zeit von 2:19:52 Stunden die aktuelle Weltjahresbestleistung. Dass die junge Äthiopierin, die bereits ihren zwölften Marathon absolvierte, noch redlich Kraft hatte, zeigte sie, als sie kurz nach dem Zieldurchlauf begleitet von einer äthiopischen Nationalflagge wie ein junges Reh auf eine Ehrenrunde durch das überraschend gut gefüllte Olympiastadion von Peking ging. Der WM-Auftritt war ihr dritter Marathon im laufenden Kalenderjahr, von Müdigkeit war jedoch keine Spur.

Der erste WM-Sieg der Äthiopierinnen war sicherlich für den äthiopischen Verband ein wichtiger Prestigesieg über die Kenianerinnen, die angesichts dreier Läuferinnen in der fünfköpfigen Spitzengruppe mit der Silbermedaille von Helah Kiprop lediglich Schadensbegrenzung erzielten. Für die 30-Jährige stellte dieser zweite Platz den größten Erfolg ihrer Karriere dar. „Ich wollte mein Land hier gut vertreten und glücklich machen. Ich denke, das ist mir sehr gut gelungen, ich bin sehr stolz“, kommentierte sie nach dem Rennen. Mit einem lachenden und einen weinenden Auge ging der WM-Marathon für die Siegerin der Asienspiele, Eunice Kirwa zu Ende. Sieben Marathons in Folge hatte die 31-jährige, gebürtige Kenianerin gewonnen, diese Serie endete jetzt. Aber die positiven Emotionen der Bronzemedaille, das erste Edelmetall für den Bahrain bei diesen Titelspielen, überwogen: „Ich bin sehr glücklich, ich habe das nicht erwartet.“

Kiplagat entthront
Sie hatte ihre Teamkolleginnen perfekt instruiert. Und sie wirkte lange Zeit extrem stark, hielt sich gelassen und souverän immer am Ende der Gruppe, um so viel Kraft wie möglich zu sparen. Einzig bei den Verpflegungsstationen stellte sie immer einen leichten Unsicherheitsfaktor für die eigene Balance und für die Balance der Gegnerinnen dar. Doch am Ende konnte die zweifache Titelverteidigerin nicht mehr ganz folgen und musste ihren Traum vom dritten WM-Titel in Folge begraben. Am Ende geht ein respektabler fünfter Platz in die Wertung, als drittstärkste Kenianerin.

Rhythmisches Tempo
Der Marathon der Damen hatte ganz anders begonnen als jener der Herren. Das mochte auch daran liegen, dass der Wettergott mit den Damen der Schöpfung ein Einsehen hatte, den Pekinger Himmel leicht bedeckte und die Temperaturen (rund 21°C am Start, nur minimal höher im Ziel) deutlich angenehmer gestaltete als acht Tage zuvor bei den Herren. Bereits auf den ersten Metern fielen die ersten Läuferinnen zurück, die ein gemütlicheres Anfangstempo bevorzugten. Die Algerierin Souad Ait Salem, eine Professorin für Physik, sorgte mit einem ersten Vorstoß nach wenigen Minuten dafür, dass das Feld der Favoritinnen sofort Fahrt aufnahm. Doch dann setzte sich die Vernunft und der Respekt vor den Bedingungen durch und eine 22-köpfige Spitzengruppe mit allen Medaillenkandidatinnen neutralisierte sich durch das gleichmäßige Tempo der drei japanischen Läuferinnen, bis sich ausgerechnet kurz hinter eine Getränkestation nach knapp 26 Kilometern die Spitzengruppe auf zwölf Aktive reduzierte. Bei der Halbmarathon-Marke, an der noch 19 Läuferinnen zusammen an der Spitze gelaufen war, war die Zeit bei 1:15:16 Stunden stehen geblieben.

Japanerinnen ohne Medaille
Erst zum sechsten Mal in der WM-Geschichte gingen die japanischen Läuferinnen leer aus, obwohl sie sich sehr bemühten. Mai Ito, die 2014 zu Gast beim Vienna City Marathon war, kam als beste des Trios auf Rang sieben ins Ziel. Einen hervorragenden Job erledigte auch die Nordkoreanerin Kim Hye-Song, heuer Siegerin des Pjöngjang Marathon, mit Rang neun. Ein außergewöhnliches Rennen lief die US-Amerikanerin Serena Burka, wenn man ihre taktische Renneinteilung unter die Lupe nimmt. Denn sie ging extrem defensiv ins Rennen und hatte rasch einen Rückstand von über einer halben Minute auf die Spitzengruppe. Diesen knabberte sie aber sukzessive bis zur Halbmarathon-Marke ab und hielt sich dann eine Zeit lang in der Gruppe der Besten. Am Ende hat die 32-Jährige, deren größter Triumph es war, den Krebs zu besiegen, ihre Ziele für den WM-Marathon mit Rang zehn erreicht. Kurz darauf erreichte mit der Litauerin Rasa Drazdauskaite auch die schnellste Europäerin das Ziel.

Eine Deutsche für Palästina
Teilnehmerinnen, die einen den drei deutschsprachigen Verbände repräsentierten, waren im WM-Marathon der Damen nicht vertreten. Dafür aber eine junge Dame, die in Berlin geboren ist, aber in Peking den Leichtathletik-Verband von Palästina repräsentierte. Denn Mayada Al-Sayad ist die Tochter einer Deutschen und eines in Jerusalem geborenen und nach Deutschland emigrierten Palästinenser. „Ich möchte das Abenteuer und die Atmosphäre in einem Superfeld erleben“, sagte die 23-Jährige, kurz nachdem sie die Staatsbürgerschaft von Palästina erhalten und kurz bevor sie beim Hamburg Marathon überraschend sowohl das Limit für die Weltmeisterschaften 2015 als auch für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro unterboten hatte. Wichtig ist ihr, zu kommunizieren, welche Motive hinter ihrer Entscheidung, für Palästina zu laufen, stehen: „Ich habe keine politischen, sondern nur sportliche Gründe, für Palästina zu starten. Palästina will eine Mannschaft für Rio aufbauen.“ Für ihre Reise nach Peking bekam sie sogar etwas finanzielle Unterstützung, ansonsten ist vorwiegend der Vater ihr Sponsor.

Ihr internationales Debüt auf der 42,195 Kilometer langen Strecke, die auf großzügigen Straßen mit langen Geraden von der Pekinger Innenstadt mit dem Start vor dem Yongdingmen Tor in der Nähe der Verbotenen Stadt, vorbei an zahlreichen Sportstätten der Olympischen Spiele 2008 in den Olympia Park führte und im Olympiastadion endete, gelang, sie kam nach 2:50:39 Stunden auf Rang 50 ins Ziel. Die Damen hatten ihren Marathon wie bei Weltmeisterschaften üblich auf derselben Strecke wie die Herren absolviert.


Marathon der Damen, Endergebnis

Gold: Mare Dibaba (Äthiopien) 2:27:35 Stunden
Silber: Helah Kiprop (Kenia) 2:27:36 Stunden
Bronze: Eunice Kirwa (Bahrain) 2:27:39 Stunden


4. Jemima Sumgong (Kenia) 2:27:42 Stunden
5. Edna Kiplagat (Kenia) 2:28:18 Stunden
6. Tigist Tufa (Äthiopien) 2:29:12 Stunden
7. Mai Ito (Japan) 2:29:48 Stunden
8. Tirfi Tsegaye (Äthiopien) 2:30:54 Stunden
9. Kim Hye Song (Nordkorea) 2:30:59 Stunden
10. Serena Burla (USA) 2:31:06 Stunden

IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2015 in Peking
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images for IAAF