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So glücklich wie bei ihrem WM-Titel in Moskau war Milcah Chemos in letzter Zeit selten. Die langwierigen Probleme mit der Achillessehne schlagen sicherlich auch aufs Gemüt.
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Offener Schlagabtausch über 3.000m Hindernis der Damen
Im WM-Finale von Peking bahnt sich ein hochspannender Fight um die Medaillen mit mindestens einem halben Dutzend Anwärterinnen an. Auch die Deutsche Gesa Felicitas Krause befindet sich nach dem Vorlauf in einer tollen Ausgangsposition. Dagegen muss die kenianische Titelverteidigerin Milcah Chemos die Titelkämpfe von Peking von der Couch aus beobachten.
Bewerb: 3.000m-Hindernislauf der Damen
Startzeit: Mittwoch, 26. August 2015 um 21 Uhr chinesischer Zeit / 15 Uhr MEZ
Titelverteidigerin: Milcah Chemos (Kenia)
Olympiasiegerin 2012: Yuliya Zaripova (Russland)
Europameisterin 2014: Antje Möldner-Schmidt (Deutschland)
WM-Rekord: Ekatarina Volkova (Russland), 9:06,57 Minuten (Osaka 2007)

Normalerweise gebührt es sich nicht, über Abwesende zu sprechen. Und auch bei Weltmeisterschaften sollten die Anwesenden, Aktiven ins Rampenlicht gesetzt werden. Doch im 3.000m-Hindernislauf der Damen soll für einmal eine Ausnahme gemacht werden, um auf eine ausführliche Art und Weise zu skizzieren, welch grausame Phasen eine sportliche Karriere manchmal innerhalb eines WM-Zykluses durchleben muss.

Ein Jubel, der bald versandete
Vor exakt zwei Jahren war noch alles in Ordnung. Milcah Chemos, zuvor bereits zweifache WM-Bronzemedaillengewinnerin, gewann in Moskau den WM-Titel. Doch aus der Freude heraus verlief sich die Kenianerin in die dunkelste Zeit ihrer Karriere. Denn ab dem Sommer 2013 begleiteten sie ständig Achillessehnenprobleme, welche sich trotz regelmäßiger Behandlungen teilweise verschlimmerten. Vielleicht wurden auch nicht die richtigen Maßnahmen eingeleitet, auf jeden Fall die richtigen Entscheidungen zu spät gesetzt, weil man den Auslöser der Schmerzen einfach nicht entdeckte. Von Schmerzen geplagt schleppte sich Chemos durch die Wettkampfsaison 2014, nahm an einigen wenigen Wettkämpfen teil und gewann bei den Commonwealth Games in Glasgow sogar die Bronzemedaille. Wenig später zog ihr Körper die Reißleine und die Achillessehne riss. „Seit über einem Jahr habe ich ständig Schmerzen an der Achillessehne gespürt. Bei den Commonwealth Games ist es in der letzten Runde unerträglich geworden und irgendwann ist die Sehne gerissen“, erzählte sie im Herbst 2014. Chemos reiste zur Operation nach Indien, wo ihr die Fachärzte bescheinigten, dieser dringende Eingriff wäre überfällig, um ihre sportliche Karriere nicht zu gefährden. Die kuriose Diagnose: Eine leichte Fehlstellung der Wirbelsäule hatte Druck auf das Nervensystem ausgeübt – und wie es manchmal im menschlichen Körper so ist, kamen die Schmerzen an einer ganz anderen Körperstelle zu Tage – an der Achillessehne.

WM-Absage
Im Mai erfolgte dann die Absage der Weltmeisterschaften von Peking, Chemos entschied sich, bis Jahresende eine Regenerationspause einzulegen. „Leider wird sie die Titelkämpfe verpassen, aber wir haben genug Ressourcen und Talente in unserem Team, um unser Land in Peking entsprechend zu vertreten“, blickte Nationaltrainer Julius Kirwa voraus. Das mag für die Chancen einer Nation zwar stimmen, aber aus individueller Sicht geht es erst einmal darum, dass Milcah Chemos wieder gänzlich gesund wird und sportlich wieder auf die Beine kommt. „Ich gebe alles dafür, um bald möglich wieder ins Training einsteigen zu können. Aber das ist ein langer Weg. Ich habe die Rehabilitation nun unterbrochen, weil mir die Physiotherapeuten empfohlen haben, in kompletter Ruhe die vollständige Heilung abzuwarten“, weiß die 29-Jährige genau, dass die schlimme Zeit noch lange kein Ende gefunden hat. Noch ist ihr der Geduldsfaden im heimischen Eldoret, wo so viele Kolleginnen und Kollegen aus der Leichtathletik Tag für Tag hart trainieren, Gott sei Dank nicht gerissen. „Ich wünsche mir nicht sehnlicheres, als endlich wieder auf die Wettkampfbühne zurückzukehren.“ Es wäre schön, wäre das bereits zu den Olympischen Spielen 2016 wieder der Fall.

Der neue Hindernislauf ohne russische Beteiligung
Vor Jahren war Milcah Chemos die dominierende Läuferin und gewann zwischen 2010 und 2013 viermal in Folge das lukrative Diamond Race. Ohne die Titelverteidigerin, aber mit einer spannenden Besetzung ohne klare Favoritin gehen die 15 besten Hindernisläuferinnen in das WM-Finale. Keine der Teilnehmerinnen kann auf einen großen internationalen Erfolg in den Dimensionen eines WM-Titels zurückblicken. Die Äthiopierin Hiwot Ayalew ist die amtierende Afrikameisterin, ihre Landsfrau Sofia Assefa gewann vor zwei Jahren die Bronzemedaille. Beide gehören zum relativ großen Kreis der Medaillenkandidatinnen. Vielleicht ist die Tunesierin Habiba Ghribi die Favoritin. An ihrem Namen ist es vielleicht am besten abzulesen, dass sich die Hindernisszene in den letzten Jahren massiv verändert hat. Bei den Weltmeisterschaften in Daegu 2011 und den Olympischen Spielen 2012 in London hatte sie jeweils den zweiten Platz hinter der Russin Yuliya Zaripova belegt. Es ist bereits seit längerem bekannt, dass bei Zaripova Auffälligkeiten im Blutprofil entdeckt worden sind. Bisher gab es keine Sanktionen. Aber sollte sie rückwirkend ihre Titel verlieren, weil ihr Doping-Missbrauch nachgewiesen würde, könnte Ghribi beide Titel erben und damit einen Endpunkt der jahrelangen russischen Herrlichkeit in dieser Disziplin setzen. Man höre und staune: In der einstigen Paradedisziplin der russischen Leichtathletik bei den Damen steht keine einzige Russin im Finallauf!

Junge Kenianerinnen vor der Meisterprüfung
Bei den Herren sind die Kenianer die Meister der Hindernisse, bei den Damen sind die aktuell verfügbaren Kenianerinnen noch nicht dermaßen stark wie ihre Pendants. Auch gab es in der noch jungen Disziplin, welche erst zweimal bei Olympischen Spielen und erst fünfmal bei Weltmeisterschaften im Programm war, erst eine kenianische Weltmeisterin. Doch das kenianische Trio Virginia Nyambura, Hyvin Kiyeng und Rosefline Chepngetich ist noch sehr jung, äußert begabt, allesamt Medaillenkandidatinnen für Peking und nicht zuletzt Versprechen für die Zukunft. Zum Kreis der Medaillenanwärterinnen muss auch die US-Amerikanerin Emma Coburn gezählt werden, die jedoch in dieser Saison selten wirklich überzeugen konnte. Ausgesprochen attraktive Vorläufe haben die Vorfreude auf ein mitreißendes Finale mit ungewissem Ausgang angefacht.

Gesa Felicitas Krause in Lauerposition
In einer sehr interessanten Position steckt die Deutsche Gesa Felicitas Krause, neben der krassen türkischen Außenseiterin Özlem Kaya die einzige Europäerin im Finale. Die 23-Jährige aus der Nähe von Frankfurt dominierte in laufenden Kalenderjahr die europäische Hindernisszene und hat eine beeindruckende Serie aufzuweisen. Denn immer, wenn es bei den Saisonhöhepunkten ans Eingemachte ging, lieferte die Deutsche ihre beste Leistung ab: WM-Achte in Daegu, WM-Neunte in Moskau und dazwischen Olympia-Achte in London. Heuer ist Krause so stark wie noch nie, im Vorlauf lieferte sie eine überzeugende Leistung ab. Zwar steht sie nicht auf dem Zettel mit der Favoritenliste, sollte ihr aber ein überragendes Rennen gelingen und noch ein bisschen Glück dazu kommen, wer weiß schon, was alles im Bereich des Möglichen liegt.

Krauses Landsfrau Antje Möldner-Schmidt, die im vergangenen Jahr in Zürich einen äußerst emotionalen Europameistertitel feiern konnte, fehlt bei den Weltmeisterschaften in Peking.

IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2015 in Peking
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images for IAAF