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So schön können sich wenige freuen wie Genzebe Dibaba, die über 1.500m endlich ihren ersten WM-Titel feiern konnte. Die Weltrekordhalterin ist damit auch Weltmeisterin.
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Titel Nummer eins – Dibaba unantastbar in der Schlussrunde
Man hätte es der haushohen Favoritin Genzebe Dibaba durchaus schwieriger machen können, doch das Feld präsentiert der Äthiopien die WM-Goldmedaille praktisch auf dem Silbertablett. Faith Kipyegon und Sifan Hassen liefern sich einen angestrengten Kampf um die Silbermedaille. Dagegen setzt es für die hoch gelobten US-Amerikanerinnen eine empfindliche Niederlage.
Vielleicht ist die elfköpfige Konkurrenz der Weltrekordhalterin Genzebe Dibaba vor ihrer Aura in Ehrfurcht erstarrt. Es wäre eine mögliche Erklärung für eine wahrlich uninspirierte Renngestaltung. Die beiden US-amerikanischen Herausforderinnen Jennifer Simpson und Shannon Rowbury hatte sich vorgedrängt und die Spitze nach wenigen Metern übernommen, um das Feld einzubremsen und eine lächerliche Rundenzeit von 77 Sekunden bis zur 400-Meter-Marke anzubieten. Mehr war den im Vorfeld hoch gelobten US-Amerikanerinnen nicht eingefallen, offensichtlich war die Zurückhaltung in den Vorläufen und im Halbfinale kein bewusstes Understatement, sondern bereits die bittere Realität. Im Vergleich zu dieser Zahl: Genzebe Dibaba kann in ihrer Schlussrunde fast eine Viertelminute schneller laufen – mit 1.100 Metern Anlauf!

Meisterin der Schlussrunde
Und auf dieser Schlussrunde demonstrierte Genzebe Dibaba ihren Gegnerinnen ihre Überlegenheit. Nach 700 gemütlichen Metern hatte die Äthiopiern die Führung übernommen und konstant beschleunigt. Als Führende ging sie in die Schlussrunde, auf der keine Fragen mehr aufkamen. Selbst auf der Zielgeraden vergrößerte sie ihren Vorsprung und lief jubelnd in einer Zeit von 4:08,09 Minuten über die Ziellinie. Die letzten 800 Meter hatte Dibaba in einer Zeit von 1:56,9 Minuten absolviert, das entspricht der Weltjahresbestleistung über diese Distanz. Das Erschreckende: Während Dibaba tänzelnd und umhüllt von einer äthiopischen Nationalflagge vor den Kameras posierte und Freude strahlend ins Publikum winkte, lagen ihre Verfolgerinnen Faith Kipyegon und Sifan Hassan völlig erschöpft auf der Tartanbahn des Pekinger Olympiastadion und schnappten nach Sauerstoff. Die beiden hatten sich im Rücken der überlegenen Siegerin ein faszinierendes Duell um Rang zwei geliefert. Erst lag Kipyegon an der zweiten Position, dann überholte sie Hassan eingangs der letzten Kurve, dann sprinteten die beiden parallel die Zielgerade entlang. Rund 30 Meter vor dem Ziel fiel die Entscheidung, Europameisterin Sifan Hassan hatte keinen Sprit mehr im Tank und die Kenianerin sicherte sich die Silbermedaille. Während Überläuferin Genzebe Dibaba über ihren lang ersehnten, ersten WM-Titel im Freien jubelte, freuten sich auch Kipyegon und Hassan über ihre ersten WM-Medaillen. „Meine Schwester Tirunesh hat in diesem Stadion bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille gewonnen. Ich wollte dieses Familienerlebnis unbedingt teilen“, kommentierte sie überglückliche Siegerin nach dem Rennen. Damit ist der Äthiopierin ihr Auftakt in die Weltmeisterschaften mehr als geglückt, über 5.000m strebt sie den zweiten WM-Titel an. Mit Wohlwollen wird sie registriert haben, dass die drei Läufe über 1.500m inklusive des Finallaufs weniger Kraft gekostet haben, als sie wohl selbst befürchtet hatte.

Ein Tag zum Vergessen für die USA
Der 25. August 2015 wird als schwarzer Tag für die US-amerikanische Leichtathletik in die WM-Geschichte eingehen. Mit multiplen Medaillenchancen in mehrere Finalentscheidungen gestartet, stand am Ende die Null. Auch, weil Simpson und Rowbury im 1.500m-Finale der Damen trotz hervorragender Vorleistungen im Laufe der Saison bei weitem nicht die Stärke hatten, die späteren Medaillengewinnerinnen irgendwie zu fordern. Jennifer Simpson, Weltmeisterin 2011 und Silbermedaillengewinnerin 2013, kam als desolate Elfte ins Ziel – ihre Zeit, lächerliche 4:16,28 Minuten. US-Rekordhalterin Shannon Rowbury konnte als Siebte den Schaden auch nicht wirklich begrenzen. Kaum besser erging es der schwedischen Titelverteidigerin Abeba Aregawi, die auf Rang sechs ins Ziel kam und nun bereits seit über einem Jahr ohne Sieg ist. Mehr war von ihr allerdings nach den gezeigten Leistungen im Verlaufe der Saison auch nicht zu erwarten.

Britisches Talent überzeugend
Positiv zu registrieren gilt es dagegen den fünften Platz der erst 22-jährigen Britin Laura Muir bei ihrem zweiten WM-Auftritt. Die Überraschungssiegerin des Diamond League Meetings in Oslo zeigte mitten in diesem Staraufgebot ein unauffälliges, aber bravouröses Rennen und wurde mit dieser Spitzenplatzierung hinter den Medaillengewinnerinnen und der äthiopischen Junioren-Weltmeisterin Dawit Seyaum, die sich bei ihrem WM-Debüt über den vierten Platz nicht ärgerte, sondern gemeinsam mit ihrer Landfrau Genzebe Dibaba auf die feierliche Ehrenrunde ging, belohnt. Der Vollständigkeit halber sei auch der zehnte Platz der zweifachen Ex-Weltmeisterin Tatyana Tomashova, der im Alter von 40 Jahren die Endgeschwindigkeit in der heißen Phase abhanden gekommen ist, erwähnt. Ihren WM-Rekord konnte die Weltrekordhalterin Dibaba aufgrund des gemütlichen Aufgalopps allerdings nie gefährden. Umgekehrt wird es Siegerin Genzebe Dibaba wohl auch nicht stören, dass die Siegerzeit von Peking die mit Abstand langsamste der WM-Geschichte war.


1.500m-Lauf der Damen, Endergebnis

Gold: Genzebe Dibaba (Äthiopien) 4:08,09 Minuten
Silber: Faith Kipyegon (Kenia) 4:08,96 Minuten
Bronze: Sifan Hassan (Niederlande) 4:09,34 Minuten


4. Dawit Seyaum (Äthiopien) 4:10,26 Minuten
5. Laura Muir (Großbritannien) 4:11,48 Minuten
6. Abeba Aregawi (Schweden) 4:12,16 Minuten
7. Shannon Rowbury (USA) 4:12,39 Minuten
8. Angelika Cichocka (Polen) 4:13,22 Minuten
9. Rababe Arafi (Marokko) 4:13,66 Minuten
10. Tatyana Tomashova (Russland) 4:14,18 Minuten
11. Jennifer Simpson (USA) 4:16,28 Minuten
12. Malika Akkaoui (Marokko) 4:16,98 Minuten

IAAF Leichtathletik-Europameisterschaften 2015 in Peking
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images for IAAF