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David Rudisha hat mit seinem souveränen Auftritt im Halbfinale Selbstvertrauen getankt.
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Furioser Lehrling Amel Tuka bedroht Meister David Rudisha
Nach dem überraschenden Ausscheiden der Mitfavoriten Nijel Amos und Mohammed Aman fordert der wundersame bosnische Shootingstar der Saison Olympiasieger David Rudisha, der seinerseits äußerst fokussiert wirkt. Nach den Halbfinalläufen ist eines sicher: Es wird ein Finale voller Spannung.
Bewerb: 800m-Lauf der Herren
Startzeit: Dienstag, 25. August um 20:55 chinesischer Zeit / 14:55 MEZ
Titelverteidiger: Mohammed Aman (Äthiopien)
Olympiasieger 2012: David Rudisha (Kenia)
Europameister 2015: Adam Kszczot (Polen)
WM-Rekord: Billy Konchellah (Kenia), 1:43,06 Minuten (Rom 1987)

„Grau, treuer Freund, ist alle Theorie!“ Dieser von Mephisto in Goethes „Faust“ geäußerte Halbsatz ist im Sport häufig einsetzbar. Es ist nicht zweifelsfrei bekannt, ob David Rudisha den weltbekannten deutschen Dichter Johann Wolfgang Goethe und seinen Klassiker der Weltliteratur kennt, aber dieser Halbsatz beschreibt die Lage perfekt, in der sich der kenianische Olympiasieger zwischen Halbfinale und Finale über 800 Meter der Herren steckt. Es hat sich schlichtweg verkalkuliert, obwohl er alles richtig gemacht hat.

Strategie gegen Amos
Ein ums andere Mal pfiff Nijel Amos auf der Zielgeraden an Rudisha, ein bekennender Frontläufer, vorbei und nahm ihm noch die Butter vom Brot. Drei Jahre lang hat der Kenianer kein einziges direktes Duell gegen den auftrebenden Läufer aus Botswana gewonnen. Intensiv bereitete sich Rudisha auf dieses Duell vor, probierte diverse Strategien aus und änderte seine Art zum Laufen zu Ungunsten seiner ehemals überragenden Stärken. Der 25-Jährige bekam im Halbfinale die Chance zur Generalprobe und Rudisha reüssierte, schlug Amos und verpasste seinem Selbstvertrauen einen Boost. Der Fehler im System? Der Sieg über Amos im Halbfinale war gleichbedeutend mit dem überraschenden Aus des eigentlichen Top-Favoriten auf WM-Gold. Sprich, alles war Rudisha im Training eingeübt hat, ist Schall und Rauch. Denn im Finale muss er sich nun anderen Gegnern widmen.

Rückkehr zum alt bewährten Konzept?
Eines ist klar: Die intensive Beschäftigung mit einer Sieges-Strategie gegen Amos hat in David Rudisha einen Lernprozess gestartet und ihn als Läufer reifen lassen. In Peking will der Kenianer seinen zweiten WM-Titel nach Daegu 2011 feiern – und damit nach einigen Jahren wieder ganz oben auf schwimmen. Was bleibt also aus der Amos-Strategie übrig, was Rudisha für das Finale verwenden könnte? Der stärkste Gegner ist, nachdem auch Titelverteidiger Mohammed Aman nach einer nicht unumstrittenen Disqualifikation im Finale fehlt, Senkrechtstater Amel Tuka. Besonders aufgrund seiner unfassbaren im Schlusssprint hat der Bosnier alle Möglichkeiten, in Peking Gold zu holen. Bestechend sind vor allem Tukas Fähigkeiten auf der zweiten Runde, was folgende Schlussfolgerung anbietet. Rudisha ist im Zielsprint sicherlich nicht schlecht, aber gegen Tuka dürfte er im Normalfall den Kürzeren zieht. Aufgrund Tukas Stärken könnte der Schlüssel zum Erfolg in den alten Stärken Rudishas liegen: sich von Beginn an an die Spitze begeben und vom Start weg volles Tempo bolzen. So hat Rudisha in London Olympiagold mit Weltrekord gewonnen, so könnten seine Erfolgsaussichten in Peking am aussichtsreichsten sein.

Rudisha gegen das Mysterium aus Bosnien und Herzegowina
Eines ist klar: Wenn Amel Tuka sich am Mittwoch in Peking zum Weltmeister macht, hat er ein Wunder vollbracht. Nicht unbedingt im Lauf selbst, denn die Favoritenrolle kann der Weltjahresschnellste jetzt nicht mehr von sich weisen. Beispiellos ist der massive Fortschritt, den der 24-Jährige im Verlaufe der vergangenen Monate durchlaufen hat. Auf internationalem Niveau ist Tuka immer noch ein höchst unerfahrener Läufer, vielleicht ist eine Unbekümmertheit auch eine Stärke. Eines scheint gewiss: Macht der Südosteuropäer in den nächsten Jahren so weiter, wird er am Olympia-Thron Rudishas in Rio de Janeiro ordentlich rütteln.

Ein weiterer starker Gegner für David Rudisha ist Ferguson Rotich, der ihn bei den kenianischen Meisterschaften geschlagen hat. Auch der bullige 25-Jährige, der im Laufe dieser Diamond League Saison zweimal aufs Podest lief, hat seine Stärken nicht unbedingt im Schlusssprint, womit eine aktive Renngestaltung davor wahrscheinlich erscheint.

Dreimal Kenia, dreimal Europa
Acht Mann stehen im Finale über die zwei Stadionrunden von Peking. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben das brutale Ausscheidungsverfahren im Halbfinale, wo 24 Läufer in drei Läufen acht Plätze ausfochten, erfolgreich überstanden, was angesichts der Dichte und der namhaften Opfer bereits eine bemerkenswerte Leistung darstellt. Mit dabei ist auch Musaeb Abdulrahman Balla, der mit seinem furiosen Sprint hauptausschlaggebend für das Scheitern Amos’ war.

Bei den Weltmeisterschaften in Moskau haben sich die Kenianer in Abwesenheit des damals verletzten Rudisha noch die Peinlichkeit erlaubt, im 800m-Endlauf mit kollektiver Abwesenheit zu glänzen. Dieses Mal haben sich gleich alle drei Kenianer für die besten Acht qualifiziert, neben Rudisha und Rotich ist das dem hochtalentierten Junioren-Weltmeister Alfred Kipketer gelungen. Besonders erfreulich: Mit dem polnischen Europameister Adam Kszczot, der im Halbfinale mit einer sehr überzeugenden Leistung auf sich aufmerksam machte, und dem Franzosen Pierre Ambroise Bosse sind neben Tuka zwei weitere Europäer im Finalfeld, welches vom marokkanischen Außenseiter Nadel Belhanbel komplettiert wird.

Auch wenn vieles auf ein mögliches Duell David Rudisha gegen Amel Tuka hindeutet, angesichts der generellen Klasse des Feldes und einer bemerkenswerten Ausgeglichenheit ist es allen acht Teilnehmern zuzutrauen, eine WM-Medaille zu gewinnen. Die Tagesverfassung wird sicherlich eine entscheidende Rolle spielen.

IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2015 in Peking
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images for IAAF