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Der alles entscheidende Moment: Nijel Amos (l.) gibt bis zur Ziellinie alles, aber es reicht nicht: Musaeb Balla (r.) war einen Tick schneller. Und David Rudisha kontrolliert relaxed bereits das TV-Bild am großen Screen des Olympiastadions.
NEWS
Doppel-Sensation: Amos und Aman scheitert im Halbfinale
Er war der große Favorit auf den WM-Titel über 800m und nun ist es im Finale gar nicht dabei: Nijel Amos scheitert sensationell an der Hürde Halbfinale. Besonders für David Rudisha ist dieser Halbfinallauf eine Genugtuung. Wenig später wird Mohammed Aman disqualifiziert und sorgt für die zweite Sensation. Dagegen setzt sich der amtierende Europameister bestens in Szene.
Viele haben David Rudisha bereits ein Trauma eingeredet. Seit dem legendären Olympiarennen von London hat der kenianische Weltrekordhalter nie wieder gegen den damaligen Silbermedaillengewinner Nijel Amos gewonnen. Das hat sich auch in dieser Saison nicht geändert, als der Kenianer wieder physisch topfit an seine Erfolge von vor der schweren Verletzung anknüpfen wollte. Doch jedes Mal überholte Amos Frontläufer Rudisha im Schlusssprint, die große Stärke des Läufers aus Botswana. Intensiv hat Rudisha im Training an einer Strategie gefeilt, wie er Amos im direkten Duell besiegen könnte und warf sogar seine so erfolgsbringende Taktik mit einem schnellen Frontlauf vom Start weg über Bord und eignete sich taktischen Spielchen an. Dass es aber so leicht klappen würde wie im WM-Halbfinale, hätte Rudisha wohl nicht gedacht – und lag vermutlich auch an einen ganz schlechten Tag des 21-Jährigen.

Rudisha der schnellere Sprinter
Wie gewöhnlich ordneten sich erst einmal alle hinter Rudisha ein, doch der Kenianer zog das Tempo nicht in der bewährten Hochgeschwindigkeit an, sondern wählte eine gemütliche Geschwindigkeit. Auch auf der Gegengerade wurde er nicht schneller und ob der schlechten Durchgangszeit wurden die Läufer hinter Rudisha allmählich nervös und auch Amos, der sich wie üblich an dritter bis vierter Position aufhielt, sollte die Nerven verlieren. 140 Meter vor dem Ziel zog der Olympiasieger abrupt an und startete einen langen Sprint zur Ziellinie, die er in bescheidenen 1:47,70 Minuten als sicherer Sieger erreichte. Doch die Sensation passierte dahinter. Amos’ langer Sprint hatte nicht die übliche Explosivität und verlor allmählich an Kraft, auf der Innenbahn hielt Musaeb Abdalrahmen Balla aus dem Katar, der heuer in Luzern und Stockholm gewinnen konnte, stark dagegen. Bereits 30 Meter vor dem Ziel ging der sichtlich erschöpfte Amos ins Hohlkreuz und die Befürchtungen wurden Realität. In einer Zeit von 1:47,96 Minuten war er um 0,03 Sekunden langsamer als Balla. Mit einer solchen Marke bestand natürlich keine Chance, über die Zeitregel ins Finale zu rutschen. Während Rudisha alles richtig gemacht hat, einen der schärfsten Konkurrenten bereits besiegt hat und damit vielleicht auch ein kleines Trauma aus der Welt geräumt hat, war das Resultat für Amos ein Super GAU. Aus der Traum von WM-Edelmetall – und das bereits zwei Tage vor dem Finale!

Meisterleistung von Kszczot
Der mit Abstand spannendste der drei Halbfinalläufe war trotz des sensationellen Scheiterns von Nijel Amos im mittleren gleich der allererste. Europameister Adam Kszczot, eigentlich ein endschneller Mann, hatte sich ein überraschendes Konzept zurecht gelegt und setzte sich gleich an die Spitze. Diese Position sollte der 25-jährige Pole, der das Tempo stets hochhielt, nicht wieder verlassen. Auch auf der Zielgerade wehrte er alle Angriffe ab, doch dank der starken Besetzung dieses Laufs kam es zu einem faszinierenden Finale. Zuerst zwischen Weltmeister Mohammed Aman und dem Franzosen Pierre Ambroise Bosse um Platz drei, doch die beiden schlossen zum Führungsduo auf und es ging praktisch parallel zu viert über die Ziellinie. Adam Kszczot hatte die Brust am weitesten vorne und siegte in 1:44,97 Minuten 0,02 Sekunden vor Junioren-Weltmeister Alfred Kipketer – eine hochverdiente Belohnung für das mutige Engagement des Polen. Dies bedeutete gleichzeitig, dass der Titelverteidiger, der nach 600 Metern innen eingekesselt war und darauf eine kleine Lücke schließen musste, mit einer Zeit 1:45,01 Minuten zittern musste, ehe klar war, dass diese Marke reichte, um über die Zeitregel ins Finale aufzusteigen. Dort mit dabei ist auch Pierre Ambroise Bosse, der 0,01 Sekunden langsamer war als Aman, und seltsamerweise diesmal nicht von vorne lief, sondern sich auf einen überraschend starken Schlussspurt verließ.

Aman disqualifiziert
Weltmeister Mohammed Aman erlebte in der Tat eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Erst nur Rang drei, dann doch im Finale und eine halbe Stunde nach dem Rennen dann die bittere Wahrheit und der emotionale Rückschlag, der ihn wie ein Hammer traf: Der Äthiopier wurde aufgrund einer unsäglichen Aktion disqualifiziert und wird seinen WM-Titel im Finale von Peking nicht verteidigen können. Aman war eingangs der Kurve innen eingesperrt und räumte den langsamer werdenden Niederländer Thijmen Kupers, der ihm unabsichtlich „im Weg war“, mit einem Stoß in den Rücken aus Selbigem, was Kupers gänzlich aus dem Rhythmus brachte.

Tuka souverän
Nachdem mit Nijel Amos und Mohammed Aman gleich zwei Medaillenkandidaten bereits im Halbfinale hängen blieben, hat sich die Favoritenliste für das Finale etwas verändert. Ein heißes Eisen im Feuer ist jedenfalls der bosnische Aufsteiger der Saison. Das zeigte Amel Tuka auch in seinem Halbfinallauf, den er im Schlusssprint in einer Zeit von 1:44,84 Minuten knapp gegen den kenianischen Meister Ferguson Rotich gewann, der den Halbfinallauf von vorne bestritt. Vor allen Dingen die Sprintfähigkeit und die schnelle Rundenzeit, die Tuka in der zweiten Rennhälfte laufen kann, hieven ihn in eine Favoritenrolle für ganz große Ehren. Nach der Disqualifikation des Weltmeisters von Moskau rutschte auch der Marokkaner Nadel Belhanbel noch ins Finale, während Marcin Lewandowski, der ausgangs der letzten Kurve eine sehr gute Position inne hatte, im Sprint keine Chance hatte.

IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2015 in Peking
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images