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Einen Erfolg darf sich Dutee Chand bereits auf die Fahnen schreiben: Ihr ist es gelungen, die Diskussion über vom internationalen Sport ausgeschlossenen Frauen auf Basis genetisch bedingter Merkmale wieder in Gang zu bringen.
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CAS erklärt die Hormon-Regel der IAAF für ungültig
Der internationale Sportgerichtshof CAS hat in Lausanne die Geschlechterregel des internationalen Leichtathletik-Verbandes für ungültig erklärt. Damit darf die indische Sprinterin Dutee Chand wieder an nationalen und internationalen Wettkämpfen an den Start gehen. Auch für Caster Semenya ist diese Entwicklung interessant.
Seit gut einem Jahr ist die 19-jährige Dutee Chand wegen Hyperandrogenismus von allen nationalen und internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. Hyperandrogenismus beschreibt eine Überproduktion von männlichen Hormonen in weiblichen Körpern. Nun hat die indische Sprinterin einen Teilerfolg errungen, da der oberste internationale Sportgerichtshof im schweizerischen Lausanne die entsprechende Regel des internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF gekippt und für ungültig erklärt.

Der Fall Semenya, der nur Verlierer hatte

Weibliche Athletinnen mit starken männlichen Merkmalen sind in der Leichtathletik-Geschichte kein Einzelfall. Die Aufsehen erregendste Diskussion kam allerdings erst vor sechs Jahren ins Rollen, als eine junge Südafrikanerin aus dem Nichts kam, auf Anhieb die Weltklasse dominierte und bei den Weltmeisterschaften in Berlin unangefochten zur Goldmedaille über 800 Meter lief – Caster Semenya. Ihr Name ist allerdings weniger aufgrund ihrer sportlichen Erfolge in Erinnerung geblieben als aufgrund einer unsäglichen Diskussion über die Rechtmäßigkeit ihrer Startberechtigung. Konkurrentinnen und Beobachter hatten einen, genetisch bedingten, Wettbewerbsvorteil ausgemacht und dagegen lautstark protestiert. Auf den Schultern der Athletin wurden in der öffentlichen Diskussion zahlreiche Experten befragt, in der Diskussion um Vorteile in der Leistungsfähigkeit wurde nicht selten die Grenze zur Diskriminierung überschritten. Zwischendurch wurde sogar das Geschlecht Semenyas öffentlich in Frage gestellt, ein schrecklicher Eingriff in die Privatsphäre der jungen Südafrikanerin.

Die Hormon-Regel

Als Konsequenz des Skandals führte die IAAF 2011 eine Regel ein, die die Höchstgrenze männlicher Hormone im weiblichen Körper festlegte. Diese Entscheidung beendete eine jahrelange Affäre, nach der nur Verlierer übrig blieben. Semenya muss sich seither für eine Starterlaubnis Hormontherapien unterziehen und kam bei weiten nie mehr an die Leistungen vergangener Tage heran. Auch heuer hat sie das Limit für die Weltmeisterschaften 2015 bisher noch nicht geknackt. Die IAAF hatte sich einen gewaltigen Imageschaden geleistet, aber vermeintlich ein Exempel für die Zukunft statuiert.

IAAF kündigt rasche Reaktion an

Exakt diese Regel, welche regelmäßige Untersuchungen für sämtliche Leichtathletinnen zur Folge hatte, ist nun nicht mehr gültig. Damit erlaubt das CAS Dutee Chand, die sich im Gegensatz zu Semenya stets geweigert hat, sich Hormontherapien zu unterziehen, ab sofort, wieder an Wettkämpfen teilzunehmen. In einer ersten Stellungnahme kündigte die IAAF ein rasches Treffen mit dem Internationalen Olympischen Komitee, der die Regelung übernommen hatte, und den eigenen Experten an. Schließlich basiere die Inkrafttretung dieser Regel auf die Einschätzungen von Experten auf der ganzen Welt.

Sorge um den Frauensport

In ihrem Artikel lässt die New York Times den US-amerikanischen Genetiker Dr. Eric Vilain zu Wort kommen, der warnt: „Meiner Meinung nach ist dies ein Sieg von Identitätspolitik und Aktivismus. Ich sorge mich nun um den Frauensport, denn nun darf jede, die als Frau deklariert ist, an Wettkämpfen für Frauen teilnehmen unabhängig von fairen oder unfairen Bevorteilungen. Wir bewegen uns in Richtung eines großen Wettbewerbes, dessen vorhersehbares Resultat jenes ist, dass wir bald keine weiblichen Gewinnerinnen mehr haben werden.“ Dr. Vilain denkt hierbei natürlich nicht an genetisch bedingte Überschüsse an männlichen Hormonen, sondern an künstlich herbeigeführte, sozusagen gezüchtete Hyperandrogenismen. Während nicht nur Fans von Dutee Chand die Entscheidung des CAS begrüßten, hob auch die kompetente US-amerikanische Läuferplattform „LetsRun“ warnend den Zeigefinger und fragt: „Ist dies das Ende von Frauensport, wie wir ihn kennen?“ Die Stärke Semenyas im Jahr 2009 war dafür ein starkes Signal.

Neue Regel erforderlich

Unter dem Strich bleibt ein Fakt: Sport darf nicht diskriminierend sein und muss für alle Menschen eine Möglichkeit zur Teilnahme vorsehen! Daher ist die Vorgangsweise des internationalen Sportgerichtshof CAS eine nachvollziehbare. Allerdings ist eine der wichtigsten Aufgaben des Sports, eine faire Grundlage für sportlichen Wettkampf zu bieten. Und Entwicklungen der letzten Jahre haben klar aufgezeigt, dass in dieser Diskussion natürliche, faire, aber gleichzeitig klare und unmissverständliche Regeln von Nöten sind, die in einem weiteren Schritt auch für den internationalen Sportgerichtshof CAS akzeptierbar sind. Für die internationalen Sportverbände und -behörden geht es nun also darum, im Kontext eines der heikelsten Themen im modernen Sport die richtigen Wege zu vernünftigen und nachvollziehbaren Entscheidungen einzuleiten.
Text: SIP / TK
Foto: AFP