Member Area
Benutzer:
Passwort:
Gratis anmelden
Alberto Salazar, eine der heißesten Traineraktien im aktuellen Laufsport.
TRAININGSTIPPS
L-Carnitin – Debatte über Alberto Salazars Geheiminjektionen
Sind L-Carnitin-Injektionen das große Geheimnis von Starcoach Alberto Salazar, unter dessen Leitung im Nike Camp im US-Bundesstaat Oregon unter anderem Topstar Mo Farah trainiert? Zwei Zeitungsberichte aus Großbritannien bringen Licht in die Strategien des in Kuba geborenen US-Amerikaners, selbst dreifacher Sieger des New York City Marathon.
Zwei Newsartikel der britischen „Sunday Times“ legten folgende Fakten auf den Tisch: Alberto Salazar, Headcoach des Nike Oregon Projects, unter dem auch die Laufstars Mo Farah und Galen Rupp erfolgreich trainieren, bestellte 2011 und 2012 in zwei Schiffsladungen an L-Carnitin- und Kohlenhydrat-haltigen Getränken zu einem stolzen Preis zu sich ins Trainingscamp. Zu diesem Zeitpunkt war erst kürzlich eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht worden, die besagte, dass L-Carntin die Leistungsfähigkeit von Ausdauersportlern um bis zu 11% erhöhen könne. Sowohl Galen Rupp als auch Mo Farah gaben zu, dass sie diese Getränke ausprobiert hätten, beide erklärten jedoch, sie wegen Sinnlosigkeit wieder abgesetzt zu haben. „Ich habe diesen Energiedrink probiert, aber ich habe keinen Nutzen erkannt und habe sogar an Gewicht zugelegt“, sagte Farah einst. Also dachte Salazar einen Schritt weiter und nahm Kontakt zur US-amerikanischen Anti Doping Agentur USADA auf, er wolle L-Carnitin als Injektion an einiger seiner Athleten ausprobieren. Zwar gab es von offizieller Seite keine Erlaubnis, sondern einzig einen Verweis auf die WADA-Regeln. Also „opferte“ Salazar Trainer Steve Magness als Versuchskaninchen eigener Untersuchungen. Magness steigerte seine Leistungsfähigkeit am Laufband binnen weniger Wochen um beachtliche 8-9%.

L-Carnitin

L-Carnitin ist eine natürlich vorkommende, chemische Verbindung, welche eine essentielle Rolle im Energiestoffwechsel spielt und die Fettverbrennung gewinnbringend unterstützt. Der menschliche Körper ist imstande, eine ausreichende Menge an L-Carnitin selbst zu produzieren, zudem nehmen wir L-Carntin durch die Einnahme von tierischen Nahrungsmitteln auf. Ausdauersportler haben zusätzlich die Möglichkeit, L-Carnitin über Nahrungsergänzungsmittel aufzunehmen. Die erzielte Leistungssteigerung definiert sich vor allem im besseren Regenerieren nach großen sportlichen Anstrengungen.

Wirkungslos?

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gehen in die Richtung, L-Carnitin in Form von Nahrung aufzunehmen, sei großteils wirkungslos und ein ineffektives und kostspieliges Unterfangen. Denn der menschliche Körper reguliert seinen L-Carnitin-Haushalt und ein Überschuss bedeutet nicht automatisch ein vielfaches wirksames Einsetzen, der Körper scheidet den Überschuss einfach aus. Diese Erkenntnis hat wohl auch das Team um Alberto Salazar gewonnen, daher der Wechsel zum direkten Weg mittels der Injektion, um L-Carnitin ohne Umweg in die Blutbahnen zu bekommen.

Legal?

Die entscheidende Frage ist, was die WADA von Injektionen hält. Prinzipiell steht L-Carnitin nicht auf der internationalen Dopingliste und es gibt bisher keine wisssenschaftliche Hinweise, dass L-Carnitin in bestimmten Dosierungen gesundheitsschädlich sein könnte. Allerdings sehen die WADA-Regeln ein Verbot jeglicher Injektion vor, mit einem kleinen Zusatz im Reglement: Intravenöse Infusionen oder Injektionen erlaubter Substanzen sind im maximalen Umfang von 50 Millilitern pro sechs Stunden auch außerhalb von klinischen Behandlungen erlaubt und müssen demnach der nationalen Anti Doping Agentur regeltechnisch auch nicht gemeldet werden.

Riesiger Leistungssprung

Um diese Zahlen in einen Rahmen sportlich realistischer Leistungen zu bekommen, sei folgender beispielhafter Vergleich angestellt. Eine 1%ige Verbesserung des Marathon-Weltrekords würde einen Leistungssprung von 73 Sekunden bedeuten! Und jetzt bedenke man, dass L-Carnitin einen Gesamtleistungssprung von 11% versprechen soll. Kein Wunder, dass Athleten nicht abgeneigt scheinen, nach außen hin aber den Schein des Desinteresses wahren. Und Alberto Salazar ist bekannt dafür, dass er stets bemüht ist, seine Athleten mit dem besten Rüstzeug in den Wettkampf zu schicken. „Es ist wie im Krieg. Der Soldat muss lernen zu kämpfen und alles dafür tun, physisch topfit zu sein: eine One-Man-Army. Andererseits nützen wir die Wissenschaft so gut wie es geht, um die Erkenntnisse mit dem Old-School-Training zu kombinieren“, hatte sich Alberto Salazar vor Jahren in einem Interview mit der britischen Tageszeitung Independent geäußert.
Text: SIP / TK
Foto: Wikipedia