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Deutsche Medaillenchancen und Hassans Double-Versuch
Die Hallen-Europameisterschaften 2015 in Prag versprechen spannende Entscheidungen im Laufbereich. Über 800m der Damen greift die routinierte Jennifer Meadows nach Gold, mit Homiyu Tesfaye und Richard Ringer verfügt auch der DLV über zwei heiße Eisen im Kampf um die Goldmedaille. Der große Star der Indoor-Laufentscheidungen könnte Sifan Hassan werden.
Nur gut ein halbes Jahr nach den Freiluft-Europameisterschaften in Zürich kämpfen Europas beste Leichtathleten kommendes Wochenende bei den Hallen-Europameisterschaften in Prag um Gold, Silber und Bronze unter dem Hallendach. Damit findet die 33. Auflage der Hallen-Europameisterschaften erstmals auf tschechischem Boden statt (Prag war 1967 Austragungsort der European Indoor Games, Vorreiter der Hallen-Europameisterschaften, Anm. d. Red.) und erst zum vierten Mal in Osteuropa. In der Prager O2 Arena, die früher Sazka Arena hieß, finden bis zu 18.000 Zuschauer Platz, bei der Hallen-EM sind 11.500 Zuschauerplätze verfügbar. Im Alltag ist die Mehrzweckhalle Heimat der Eishockeyvereine HC Slavia Prag und Lev Prag, war aber bereits Austragungsort spektakulärer Mannschaftserfolge des tschechischen Tennisteams und wird im Mai zentraler Spielort der Eishockey-Weltmeisterschaften sein.

Rekordbeteiligung
Auch ein kleines Team aus Österreich hat die Reise in die benachbarte Tschechische Republik angetreten, insgesamt werden sieben ÖLV-Athleten wettkampfmäßig teilnehmen. Jennifer Wenth (SVS Leichtathletik, 3.000m), Kira Grünberg (ATSV Innsbruck, Stabhochsprung), Andreas Vojta, Brenton Rowe (beide team2012.at, 3.000m), Andreas Rapatz (ULV Krems, 800m), Lukas Weißhaidinger (ÖTB OÖ LA, Kugelstoßen) und Markus Fuchs (ULC Riverside Mödling, 60m) treffen dabei auf starke Konkurrenz aus 49 Ländern, die für das Saisonhighlight des Winters für die europäische Leichtathletik gemeldet haben. Insgesamt sind 643 Athleten registriert – beides ist neuer Rekord!

Lavillenie will Weltrekord springen
Wie immer bei Kontinentalentscheidungen in Europa können Leistungen auf Weltklasse Niveau vorwiegend in den technischen Disziplinen erwartet werden, welche bei Hallen-Europameisterschaften naturgemäß im Vergleich zu Freiluft-Europameisterschaften reduziert sind. Star der Titelkämpfe ist der Franzose Renaud Lavillenie, der seinen eigenen Weltrekord von 6,16m attackieren möchte. Das heimische Publikum darf durchaus mit Berechtigung von einigen Medaillen träumen. Der größte Star der tschechischen Leichtathletik ist Zuzana Hejnova, amtierende Weltmeisterin im 400m-Hürdenlauf. Da diese Disziplin im Rahmen von Hallen-Meisterschaften nicht ausgetragen wird, tritt die 28-jährige bei ihrem Heimspiel über die ungewohnte Distanz von 800m an, scheint dabei aber nicht chancenlos. „Ich vertraue meinen Trainern, wenn sie sagen, dass es nicht so schlecht laufen wird, wenn ich gesund und relaxed an den Start gehe“, schmunzelt die Lokalmatadorin.

Berauschendes Comeback von Jennifer Meadows
Über 800m haben die Tschechen gleich zwei heiße Eisen im Feuer. Denn neben Hejnova zählt auch Lenka Masna zu den Medaillenkandidatinnen. Die erklärte Favoritin kommt allerdings aus Großbritannien. Jennifer Meadows lief Ende Jänner in Wien in 1:59,21 Minuten die erste Zeit unter zwei Minuten in der Halle seit drei Jahren – weltweit gesehen. Die 33-jährige Britin, die sich nach einigen Verletzungen in den vergangenen Jahren furios zurückmeldete, hält vier der fünf schnellsten in dieser Saison gelaufenen Zeiten, durchbrochen nur von Joanna Jozwik, die ein halbes Jahr nach ihrem Medaillengewinn in Zürich auch in Prag zu den Favoritinnen auf Edelmetall zählt. Meadows hat noch eine Rechnung offen, schließlich wurde sie vor vier Jahren Hallen-EM-Zweite hinter Yevgeniya Zinurova und bekam Gold erst nach der Dopingsperre der Russin zugesprochen. „Ich hab mich nie als Europameisterin oder Siegerin gefühlt“, beklagt sie, „Heuer will ich definitiv die Goldmedaille gewinnen. Ich habe sehr viel Selbstvertrauen und bin höchst fokussiert.“

Schweizer Medaillenchance?
Auf Edelmetall im 800m-Lauf der Damen spekuliert auch das Schweizer Team, das im Gegensatz zum „Lieblingsnachbarn“ die ein oder andere Möglichkeit auf eine Medaille sieht, durch Selina Büchel, die im vergangenen Jahr bei den Hallen-Weltmeisterschaften Vierte wurde und als ausgewiesene Hallen-Spezialistin gilt. Eine spannende Rolle in einem interessanten Feld könnte auch die talentierte Isländerin Anita Hinriksdottir spielen, die ihr erstes großes Finale bei den Erwachsenen anstrebt und mit der Empfehlung eines Europarekordes für Juniorinnen nach Prag reißt.

Doping-Schatten
Eine sehr negative Erscheinung ist der Name von Yekatarina Poistogova auf der Startliste. Die Russin war im Rahmen der mittlerweile berühmten TV-Dokumentation „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“ direkt des Dopings beschuldigt worden, trotzdem sehen European Athletics und der Weltverband IAAF offensichtlich keinen Grund, einen Start von Poistogova in Prag zu untersagen. Ebenfalls dabei ist nach einer abgesessenen, durchaus kurzen, Dopingsperre Nataliya Lupu aus der Ukraine, im vergangenen Jahr bei den Hallen-Weltmeisterschaften erwischt, die gleichzeitig die Titelverteidigerin ist. Freiluft-Europameisterin Maryna Arzamasova fehlt ebenso wie die starken Britinnen Lynsey Sharp und Jessica Judd.

Spannung bei Laufentscheidungen
Spannung versprechen auch die weiteren Laufentscheidungen im Rahmen der Titelkämpfe in der O2 Arena:

1.500m der Damen: Nur 14 Damen sind offiziell gemeldet, dafür gibt es eine glasklare Favoritin: In Abwesenheit von Titelverteidigerin Abeba Aregawi müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn Europameisterin Sifan Hassan nicht die Goldmedaille holen würde (sofern sie startet, was durch eine Doppelmeldung nicht 100% sicher erscheint, Anm. d. Red.). Nur mit Außenseiterchancen agiert die Deutsche Gesa-Felicitas Krause, für Edelmetall kommen eher die Polin Angelika Cichocka, Renata Plis und Katarzyna Broniatowska sowie die Italienerin Federica Del Buono in Frage. Allerdings dürfte sich das Feld hinter Hassan und Cichocka relativ offen gestalten.

3.000m der Damen: Ein starkes Feld kommt auf Jennifer Wenth auf der längsten Distanz der Damen zu. Die Österreicherin ist nur die Nummer 18 von 22 gemeldeten Läuferinnen (laut Saisonbestzeit), allerdings ist der amtierenden Staatsmeisterin bei guter Leistung durchaus der Sprung ins Finale zuzutrauen. Aller Voraussicht nach versucht Sifan Hassan das Double und will über die beiden längsten Laufdistanzen in der Halle jeweils Gold holen, was ihr durchaus zuzutrauen ist. Eine entscheidende Rolle könnte auch die 21-jährige Britin Laura Muir spielen, Medaillenchancen sind auch ihrer Landsfrau Kate Avery, Silbermedaillengewinnerin bei den Crosslauf-Europameisterschaften 2014, der Italienerin Giulia Viola, der Holländerin Sofia Ennaoui, der Russin Yelena Korobkina, der Polin Renata Plis sowie den 3.000m-Hindernisspezialistinnen Svetlana Kuzdelich, Sandra Eriksson und Charlotta Fougberg einzuräumen. Die Deutsche Maren Kock agiert aus einer Außenseiterrolle heraus, ein Platz im Finale ist das Ziel.

800m der Herren:
Das vielleicht offenste Feld im Laufbereich geht über die vierfache Hallenrunde an den Start. Andreas Rapatz wird als Nummer neun der 40-köpfigen Meldeliste geführt (nach Saisonbestleistungen), allerdings sollte diese Position nicht überschätzt werden, da einige starke Läufer heuer ihre zu erwartende Leistung noch nicht gebracht haben. Dennoch stehen die Chancen auf einen Halbfinaleinzug gut. In Abwesenheit von Europameister Adam Kszczot ist Landsmann Marcin Lewandowski der erklärte Favorit auf die Goldmedaille. Bei der Hallen-WM im Vorjahr verhinderte einzig eine Disqualifikation die Silbermedaille für den 27-Jährigen. Medaillenkandidaten sind der Ire Mark English, EM-Dritter von Zürich, der junge Schwede Andreas Almgren (einziger europäischer Medaillengewinner im Laufbereich bei den Junioren-Weltmeisterschaften im Vorjahr), der Spanier Kevin Lopez, Silbermedaillengewinner in Göteborg 2013) und der Brite Mohammed Mukhtar, der die Bronzemedaille verteidigt.

1.500m der Herren:
Durch seine starken Leistungen im bisherigen Winter ist der für Deutschland laufende Homiyu Tesfaye Topfavorit auf die Goldmedaille in Prag. Die stärksten Konkurrenten des Weltjahresschnellsten dürften Ilhan Tanui Özbilen, Silbermedaillengewinner vor zwei Jahren, und der Norweger Henrik Ingebrigtsen sein, der allerdings in der Halle noch nie stark gelaufen ist und auch in dieser Saison bisher keine offizielle Zeit zu Buche stehen hat. Zu den Medaillenkandidaten zählen des Weiteren Chris O’Hare aus Großbritannien, Adel Mechaal aus Spanien, Yoann Kowal aus Frankreich und Valentin Smirnov aus Russland, Titelverteidiger Mahiedine Mekhissi-Benabbad glänzt durch Abwesenheit.

3.000m der Herren:
Mit einem starken Feld auseinandersetzen müssen sich Andreas Vojta und Brenton Rowe. Angesichts der Meldeliste wäre eine Finalteilnahme eines der beiden Österreicher bereits eine Überraschung. Beste Medaillenchancen hat dagegen Richard Ringer aus Deutschland, der als leichter Favorit gilt. Auch sein Landsmann Florian Orth geht mit besten Aussichten ins Rennen. Edelmetall streitig machen könnten den beiden Deutschen der Türke Ali Kaya, sein Landsmann Halil Akkas, der Brite Emanuel Lee, der Belgier Pieter-Jan Hannes, der Franzose Florian Carvalho, der spanische Oldie Jesus Espana sowie die Russen Yegor Nikolaev und Aleksey Popov.

Hallen-Europameisterschaften 2015 in Prag
Text: SIP / TK
Foto: European Athletics