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Das Beste, was Endeshaw Negesse bisher in seiner sportlichen Laufbahn passiert ist: sein erster Sieg bei einem WMM-Marathon.
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Äthiopier Negesse überrascht Favoriten beim Tokio Marathon
Die kenianischen Marathonstars haben beim Auftakt in die World Marathon Majors 2015 in Tokio eine empfindliche Niederlage erlitten. Der Äthiopier Endeshaw Negesse siegt überraschend und feiert den größten Triumph seiner Karriere. Auch der Olympiasieger kann sich gut in Szene setzen. Für ihn war die Aufgabe Tokio Marathon aber eine sehr emotionale.
Auch wenn der 26-jährige Äthiopier vor zwei Jahren in Dubai bereits einmal unter 2:05 Stunden gelaufen war (als Vierter, Anm.), zählte er bis gestern nicht zur Riege der großen Marathonläufer. Nach seinem überraschenden Triumph in der japanischen Hauptstadt muss Endeshaw Negesse allerdings zu den Großen dazugezählt werden. Ähnlich wie vor einem Jahr auf Dickson Chumba, hatte zuvor keiner einen Blumentopf auf den Äthiopier gesetzt – zu stark schien die Konkurrenz. Doch Negesse fühlte sich in seiner Außenseiterrolle wohl und machte das beste aus der Situation. Rund zweieinhalb Kilometer vor dem Ziel attackierte er und zeigte Vorjahressieger Chumba die Rücklichter. In einer Zeit von 2:06:00 Stunden überquerte er erst als zweiter Äthiopier nach Hailu Mekonnen vor vier Jahren die Ziellinie des Tokio Marathon, bisweilen eine Hochburg der kenianischen Marathonläufer.

Ausscheidungsrennen
„Das war ein gutes Rennen, aber ein hartes. Der Regen und die Kälte machten unser Leben nicht einfach“, blickte Negesse zurück. Dass er den Streckenrekord aus dem Vorjahr um 18 Sekunden verpasste, dafür machte der Sieger die anfänglich moderate Tempowahl verantwortlich. Tatsächlich verliefen die ersten beiden Drittel dieses Marathons relativ unspektakulär – abgesehen von der frühen Aufgabe des Marathon-Debütanten Tariku Bekele. Lange Zeit hielten zahlreiche Athleten auch aus der erweiterten Weltklasse das Tempo der Spitze mit. Bei Kilometer 35 hatte der Titelverteidiger dann genug gesehen: Der Attacke von Dickson Chumba konnten einzig Negesse, Stephen Kiprotich und Shumi Dechasa folgen. Überraschend bereits jetzt geschlagen war unter anderem der Äthiopier Tsegaye Kebede.

Duell um den Sieg
Wenig später konnten auch der Ugander und der für den Bahrain laufende Äthiopier dem Tempo an der Spitze nicht mehr folgen. Nicht der Favorit, sondern Negesse war es in der Folge, der immer wieder beschleunigte und nach etwas mehr als 39 Kilometer die Lücke zu seinem letzten Konkurrenten öffnete. Der Rest war ein einziger Triumphlauf für den Überraschungssieger. Mit Dickson Chumba war nach dem Rennen nicht gut Kirschen essen. Zu sehr schmerzte die Niederlage gegen Negesse, nach seinen Auftritten von Tokio und Chicago 2014 hatte er sich als klarer Favorit gefühlt. Zu allem Überfluss musste sich der Kenianer auf der Zielgerade auch noch von Stephen Kiprotich übersprinten lassen und belegte nur Rang drei.

Ein trauriger Zweiter
Kaum ein Lächeln kam auch dem Olympiasieger Stephen Kiprotich über die Lippen, doch das hatte andere Gründe: Aus sportlicher Sicht war der Trip nach Japan für den Nationaheld Ugandas ein erfolgreicher. Endlich konnte er bei einem großen City-Marathon in der Spitze mitlaufen und mit einer Endzeit von 2:06:33 Stunden verbesserte er seine persönliche Bestleistung deutlich. Aus emotionaler Sicht war seine Leistung allerdings noch bewundernswerter, denn zu Jahresbeginn erlitt der Olympiasieger und Weltmeister einen emotionalen Rückschlag in Form einer Familientragödie. Seine Tochter Elizabeth Chelanga verstarb am 2. Jänner 2015 an Atembeschwerden. Die riesige Anteilnahme zahlreicher Fans und Bewunderer an der Beerdigung in Uganda und mittels tausender persönlicher Nachrichten hatte Kiprotich sehr gerührt. „Das hat uns in diesen traurigen Zeiten sehr gestärkt“, hatte Kiprotich vor einigen Wochen gesagt. Auch bei der Pressekonferenz nach dem Rennen konnte er fünf Tage vor seinem 26. Geburtstag seine Tränen nicht zurückhalten. Dass trotz der guten Leistung in Tokio der Sport aufgrund der kurzen zeitlichen Distanz aktuell immer noch einer hintergründige Rolle einnimmt, ist mehr als nur verständlich.

Die sportlich Enttäuschten
Nachdem Geoffrey Mutai auf sein Antreten in Tokio verzichtet hatte, hatte man neben Chumba am ehesten dem Äthiopier Tsegaye Kebede eine tragende Rolle im Kampf um den Sieg zugetraut. Doch er 27-jährige zweifache Sieger des London Marathon enttäuschte nicht zum ersten Mal in letzter Zeit und musste sich mit Rang acht in einer Zeit von 2:07:58 Stunden zufrieden geben. Auch beim Weltrekordlauf von Dennis Kimetto in Berlin blieb Kebede deutlich hinter seinen Erwartungen zurück. Einst als Muster an Konstanz gepriesen, entfernt sich diese Konstanz immer weiter von den Spitzenplätzen. Beeindruckend ist aber folgende Zahl: Bereits zum 15. Mal absolvierte Kebede einen Marathon unter 2:09 Stunden! Des Weiteren nicht überzeugen konnten Michael Kipyego, Tokio Sieger von 2012, der nach 30 Kilometer ausstieg und Joseph Gitau, Sieger des Fukuoka Marathon von 2012.

Zufrieden mit ihren Auftritten in Tokio konnten dagegen Shumi Dechasa auf Rang vier und der ehemalige Sieger des Paris Marathon, Peter Some auf Rang fünf sein. Für die Überraschung des Tages sorgte der erstaunlich starke Japaner Masato Imai auf Rang sieben mit einer Zeit von 2:07:39 Stunden, rund zwei Minuten unterhalb seiner bisherigen Bestleistung. „Insgesamt war das ein sehr gutes Rennen, exakt wie ich es mir vorgestellt habe“, so der 30-Jährige.


Ergebnis Tokio Marathon

1. Endeshaw Negesse (ETH) 2:06:00 Stunden
2. Stephen Kiprotich (UGA) 2:06:33 Stunden
3. Dickson Chumba (KEN) 2:06:34 Stunden
4. Shumi Dechasa (BRN) 2:07:20 Stunden
5. Peter Some (KEN) 2:07:22 Stunden
6. Markos Geneti (ETH) 2:07:25 Stunden
7. Masato Imai (JPN) 2:07:39 Stunden
8. Tsegaye Kebede (ETH) 2:07:58 Stunden
9. Hiroaki Sano (JPN) 2:09:12 Stunden
10. Benjamin N’Gandu (KEN) 2:09:18 Stunden

Tokio Marathon
Text: SIP / TK
Foto: Tokio Marathon / Yamaguchi / Agence Shot