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Als Shawn Forrest 2013 bei der WM vor der Skyline von Moskau den Marathon bestritt, war er nachgewiesenermaßen nicht in Vollbesitz seiner Kräfte.
GESUNDHEIT UND ERNäHRUNG
Laufsport mit Diabetes – ein Australier träumt von Olympia
Die Auto-Immunkrankheit Diabetes schränkt bei guter Behandlung heutzutage ein normales Leben nicht ein. Der Spitzensport und besonders der Ausdauersport bringen jedoch einige Herausforderungen mit sich. Diese Herausforderung in seinem neuen Sportlerleben nimmt auch der australische Marathonläufer Shawn Forrest auf dem Weg zu den Olympischen Spielen an.
Die Wettkampfsaison 2013 lief alles andere als nach Plan für den australischen Marathonläufer Shawn Forrest. Rang 49 belegte er bei den Weltmeisterschaften 2013 in Moskau in einer Zeit von 2:39:09 Stunden, knapp 25 Minuten langsamer als seine persönliche Bestleistung. Und dabei hätte dieser Event das Highlight seiner Karriere werden sollen, im Endeffekt wurde es der Startpunkt zu einer Wende in seiner Karriere.

Leistung ließ nach

„Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Aber ich dachte, es ginge vorbei und habe noch stärker trainiert. Aber dann bekam ich Probleme mit der Achillessehne und andere Beschwerden. Ich konnte meine Ziele weder im Training noch im Wettkampf mehr erreichen“, erzählte der 31-jährige Australier. Der Grund für diesen Leistungsabbau und das schlechte Gefühl beim Laufen wurde ihm vor einigen Monaten per ärztlicher Diagnose ausgestellt: Diabetes, Typ 1. Forrest wusste nicht, dass er die Krankheit hatte und auch nicht, seit wann er sie im Körper trug. Die endgültigen Symptome, welche ihn ins Krankenhaus zur Untersuchung bewegten, waren die klassischen: Müdigkeit und Kraftlosigkeit, übermäßiger Durst und ständiger Drang, Flüssigkeit auszuscheiden, begleitet von konstanter Verschlechterung der Sehstärke.

Diabetes mellitus

Diabetes mellitus, direkt übersetzt „honigsüßer Durchfluss“ und häufig als Zuckerkrankheit bezeichnet, zählt zur Gruppe der chronischen Stoffwechselerkrankungen und breitet sich im Zuge des steigenden Wohlstands der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter aus. 4% der deutschen Bevölkerung leidet an Diabetes (wobei die Dunkelziffer der an Typ-2-Erkrankten (so genanntes Altersdiabetes) höher liegen könnte, 6% aller Diabetiker leiden an Typ 1). Die Gründe dafür, besonders beim Diabetes mellitus Typ 1 wie im Falle Forrests, sind wissenschaftlich umstritten, dennoch läuft die medizinische Forschung auf Hochtouren.

Diabetes mellitus ist eine Auto-Immunerkrankung: Der Körper greift die Insulin produzierenden ß-Zellen der Bauchspeicheldrüse an und zerstört sie. Dieser Zerstörungsprozess kann schleichend erfolgen, weswegen zwischen Beginn der Auto-Immunerkrankung und der Diagnose eine lange Zeitspanne vergehen kann – vermutlich so geschehen bei Shawn Forrest. Diabetiker nehmen das ihnen fehlende Insulin mittels Injektionen ins Fettgewebe zu sich, denn die ß-Zellen in der Bauchspeicheldrüse wachsen nicht nach.

Insulin und Glukose fehlt

Durch eine komplette Zerstörung ß-Zellen der Bauchspeicheldrüse kann der Körper kein Insulin mehr produzieren. Insulin ist aber ein lebenswichtiges Hormon, welches den Schlüssel darstellt, das durch die roten Blutkörperchen im Körper verteilte Glukose, welches aus der Ernährung von Kohlenhydraten und Zucker gewonnen wird, in die Körperzellen zu verteilen, wo Glukose dann in Energie umgewandelt wird. Fehlt Insulin, zirkuliert das gesamte Energiepotenzial des Körpers wirkungslos im Körper.

Das Problem für einen Diabetiker des Typs 1: Nicht nur die Insulinproduktion fällt aus, sondern auch die Produktion von Glukose, dem Gegenspieler von Insulin. Wenn der Zuckergehalt im Blut zu weit gesenkt wird, das heißt der Körper mehr Zucker verbrennt als verfügbar ist, was zum Beispiel während einer sportlichen Betätigung in einem hohen Maß der Fall ist, ist Glukose jener Stoff, der den Körper vor einer bedrohlichen Unterzuckerung  bewahrt. Diabetiker müssen diese Gefahr ausschließlich mit flüssiger oder fester Aufnahme von Kohlehydrat- oder zuckerhaltiger Ernährung vertreiben, während der Körper eines gesunden Menschen dies selbst regulieren kann.

Sport empfehlenswert

Sport ist für Diabetiker quasi eine Art Medizin. Nicht nur, dass Sport generell förderlich ist für die Gesundheit des Menschen, durch sportliche Betätigung wird Zucker und Energie im Körper verbrannt. Damit nimmt körperliche Anstrengung die exakte Funktion des Hormons Insulins ein, wodurch ein Diabetiker auf einen Teil des Medikaments verzichten kann. Wichtig ist für Sport treibende Diabetiker die konstante Überprüfung des Blutzuckerwertes, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können. Sportler mit Diabetes müssen daher stets nicht nur Insulin, sondern auch Traubenzucker bei sich führen. Läuft ein Diabetiker einen Marathon, empfehlen Ärzte die Reduktion des normalen Insulinverbrauchs um ca. 80-90% über den ganzen Tag verteilt!

Insulin als Dopingmittel

Insulin steht seit 1998 auf der Dopingliste des Internationalen Olympischen Komitees IOC. Der Grund dafür ist, dass Insulin, welches die Wirkung von Anabolika unterstützt, bei Kraftsportlern in den 90er Jahren sehr beliebt war. Da eine Misshandlung des Hormons zum Tod führen kann, entschied sich das IOC zu dieser Maßnahme. Diabetikern ist der Gebrauch von Insulin selbstverständlich ausdrücklich erlaubt, auch im Olympischen Sport.

Ziel: Rio 2016

Nach dem ersten Schock hat Shawn Forrest die Herausforderung Spitzensport als Diabetiker angenommen, in den kommenden Monaten will er sich erholen und dann seinen mit einer Insulintherapie belegten Körper an Spitzensport anpassen. Den Optimismus hat er wieder gefunden, die Olympischen Spiele 2016 in Rio sind längst ins Auge gefasst. „Es ist eine Krankheit, aber ich denke nicht, dass sie mich auf meinem Weg zurück stark beeinträchtigen wird. Ich bin ein Kämpfer.“ Bei adäquater Behandlung ist ein beschwerdefreies Leben ohne Einschränkung für Diabetiker möglich, der Spitzensport freilich bringt die ein oder andere logistische, aber auch mentale Herausforderung mit sich. Dass aber auch Spitzensport mit Diabetes möglich ist, ist bekannt. In Vergangenheit konnten Radsportler mit Diabetes international Erfolge feiern, zuletzt kam ein junger Football-Spieler namens Paddy McCartin, der als Diabetiker als Nummer-eins-Draft in der zweithöchsten nordamerikanischen Spielklasse AFL von einem Klub verpflichtet wurde, in die Schlagzeilen.
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images