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Nicht überall auf der Welt war der Jubel groß für den Zuschlag für Doha – im Katar dafür um so größer. Im Bild der aktuell erfolgreiche katarische Leichtathlet, Hochspringer Mutaz Essa Barschim bei der Vergabe-Zeremonie in Monaco.
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WM 2019 in Doha – Geld regiert die Welt(meisterschaften)
Für einen erfolgreiche Wahl Dohas als Austragungsort der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 steuert die Bewerbung aus dem Ölstaat am Persischen Golf das nötige Kleingeld bei. Bei den kolpotierten Beträgen konnte die Konkurrenz aus Eugene und Barcelona nicht mithalten. Doch das katarische Sponsorenpaket ist legal.
Im Zuge seiner Bewerbung für die Austragung der Weltmeisterschaften schnürte Doha, das bei der Vergabe der WM 2017 der Bewerbung aus London unterlegen war, ein lukratives Paket von rund 30 Millionen Euro zu Gunsten des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF. Nicht zuletzt aufgrund von Berichten, dass die IAAF anscheinend in letzter Zeit mehrfach rote Zahlen am Jahresende geschrieben hat, konnte der Weltverband wohl kaum nein sagen. Schließlich sollen unter dem Strich allein 18 Millionen Euro für die IAAF übrig bleiben. Das eine derartige Strategie im internationalen Sport der heutigen Zeit eine eine hohe Erfolgsquote aufweist, ist nicht unbedingt die neueste Erkenntnis – die jüngsten Vergaben von sportlichen Großereignissen Sportarten-übergreifend sprechen Bände. Der Vorwurf der Korruption ist in diesem Fall jedoch nicht haltbar.

Wer hat, der hat!
Eine nicht näher definierte katarische Bank soll in den kommenden fünf Jahren in einem Sponsor-Verhältnis dem Weltverband rund 24 Millionen Euro einbringen, 3,6 Millionen Euro sollen aus dem Merchandising-Verkauf rund um die WM 2019 dazu kommen, weitere zwei Millionen Euro durch den Verkauf der Medienrechte. Zahlen, die so beeindruckend sind, dass auch die Bewerbung aus Eugene, die vom in Oregon ansässigen US-Sportartikelhersteller-Giganten Nike unterstützt wurde, keine Chance hatte. „Alles, was sie haben, ist Geld“, beschwerte sich das spanische IAAF-Exekutivmitglied Jose Maria Odriozola, der die Bewerbung aus seinem Heimatland bereits in der Vorrunde scheitern sah. „Sie wollen, dass keiner darüber spricht, wenn Geld im Spiel ist. Sie spielen immer ein gefährliches Spiel mit ihren Methoden“, mahnt der englische Sportökonomist Andrew Zimbalist, katarische Bewerbungen um sportliche Großereignisse betreffend. Dahlan al Hamad, Vorsitzender der Doha-Bewerbung, verweist auf die Legalität dieses Angebots: „Ich kann dazu nichts sagen. Wir erfüllen sämtliche Regeln der IAAF.“

Schlechte Wahl oder gute Wahl?
Dass Kritik aus aller Welt nach der Vergabe an Doha nicht lange auf sich warten lassen würde, war erwartet worden – auch wenn sie in keinem Verhältnis zum weltweiten Aufschrei nach der Vergabe der Fußball-WM 2022 an den Katar steht. Durch das alljährliche Diamond League Meeting und den Erfolgen einiger katarischer Leichtathleten hat Doha zumindest eine erwähnenswerte Tradition in dieser Sportart. Auch die Öffnung eines neuen Marktes (nie zuvor stand eine WM im Arabischen Raum auf dem Programm) ist ein Argument für die Vergabe an Doha (auch wenn das Argument gleichermaßen auf Eugene zugetroffen hätte). Trotzdem überwiegen die negativen Stimmen. „In unseren Augen ist es eine schlechte Wahl“, sagt etwa Ad Roskam, technischer Direktor des holländischen Leichtathletikverbandes.

Nach den Diskussionen, Gerüchten und bestätigten Berichten rund um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an den Katar und die Vorgänge im reichen Ölstaat ist die Sportwelt äußerst sensibel auf Doha und den Katar zu sprechen – und das völlig zurecht. Für einen großen Kritikpunkt, die klimatischen Bedingungen, wurde bereits eine Lösung gefunden. Die WM 2019 findet Ende September bis Anfang Oktober, also zu Saisonende, statt. Dann ist es in Doha zwar auch nicht gerade kühl, aber nicht mehr unmenschlich heiß wie im Sommer. In den vergangenen zehn Jahren gab es im September in Doha allerdings nur drei Tage, an denen die Tageshöchsttemperatur unter 27°C blieb. Im Stadion könnte für Erfrischung gesorgt werden, denn die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 wären die ideale Generalprobe für die angekündigten Klimaanlagen in den Stadien, die Katar für 2022 vorbereiten möchte, um den WM-Aufenthalt in den Sportstätten erträglicher zu machen.

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die im Katar vorherrschende Moral, die so ganz und gar nicht westlichen und modernen Anschauungsweisen entspricht. So haben Frauen im Katar nicht ansatzweise dieselbe Stellung wie Männer, ein riesiges Versäumnis in der Entwicklung der Gesellschaft. Könnten die Leichtathletik-Weltmeisterschaften ein starkes Zeichen dafür setzen, dass sich die katarische Gesellschaft von diesen völlig veralteten Gesellschaftsstrukturen löst? Die Leichtathletik ist neben dem Tennis jene weltumspannende Sportart, die Frauen Männern gleichberechtigt! Leichtathletinnen haben denselben Status wie Leichtathleten. Die sportliche Ausstattung von Leichtathletinnen soll ebenfalls ein offenes Bild von Frauen vermitteln und setzt einen Gegenpol zum verschlossenen Bild von Frauen, die ihre Körper gänzlich mit Kleidung bedecken müssen.

Einen Aspekt sollte die IAAF allerdings tunlichst besonders im Auge behalten: Berichte von Sklavenarbeit und Misshandlung billiger ausländischer Arbeitskräfte im Katar haben im Zuge der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 große internationale Wogen geschlagen und ein erschreckendes Bild gezeichnet. Ähnliche Berichte rund um die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 würden einen großen Imageschaden für die internationale Leichtathletik bedeuten. Denn die Einhaltung von Menschenrechten ist ein natürliches Gut, von dem alle Menschen auf der Welt profitieren müssen und das sollte auch Grundbedingung für die Austragung eines sportlichen Großereignis sein. Traurig, dass man diese Aussage im Jahr 2014 überhaupt tätigen muss und sie nicht eine Selbstverständlichkeit beschreibt.

Eines ist klar: Kritische Äußerungen bezüglich der Vergabe der Leichtathletik-Weltmeisterschaften werden bis in den Herbst 2019 angesichts zahlreicher Pro- und Contra-Argumente nicht abreißen – besonders nicht, wenn man sie aus der westlich-geprägten Perspektive sieht. Die entscheidende Frage wird aber nicht sein, inwiefern die Leichtathletik-Weltmeisterschaft dem Land Katar helfen kann, sondern sie wird lauten: Lässt sich der Katar, seine Bevölkerung und seine Gesellschaft von einem international bedeutenden Sportereignis überhaupt helfen, oder geht es rein um das Prestige und die Präsentation eines verfälschten und verschleierten Bildes für die Weltöffentlichkeit so wie zu Jahresbeginn bei den Olympischen Spielen von Sochi? Unter diesem Gesichtspunkt kommt eine wichtige Aufgabe auf die Medien zu, die das Sprachrohr aus Doha in die Welt darstellen werden.

Keine Korruption
Das Vorgehen der katarischen Bewerber, die eigene Bewerbung mit einigen begehrten Scheinchen zu forcieren, entspricht tatsächlich den Regeln der IAAF. „Alle potenziellen Austragungsorte hatten die Möglichkeit, Leistungszuzahlungen, von denen sie glaubten, sie würden ihrer Bewerbung helfen, zu tätigen“, heißt es vom Leichtathletik-Weltverband. Anders gesagt: Es ist legitim, Leichtathletik-Weltmeisterschaften zu kaufen. Auch die Weltmeisterschaften 2011 in Daegu und 2013 in Moskau wurden von potenten Sponsoren unterstützt. „Das Vorgehen Dohas widerspricht keiner Regel der IAAF. Die Chancengleichheit unter den drei Bewerbern war gegeben. Es gab auch keine Proteste aus Eugene oder Barcelona, beide wussten von diesem Paket“, heißt es weiter. Dass Doha dieses Ass erst im letzten Moment aus dem Ärmel gezogen hat, ist der Fairness halber zu erwähnen. Trotzdem gibt es unter diesem Gesichtspunkt den großen Unterschied zwischen der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 und der Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Die Vergabe des Fußball-Weltverbands FIFA an das Land am Persischen Golf steht unter ständigen, seriös zu behandelnden Korruptionsvorwürfen, die nicht enden wollen.

Hoffnung für Eugene

Beim unterlegenen Bewerber aus Eugene, der eine starke Bewerbung vorlegte, herrscht Enttäuschung über die Vergabe an den Konkurrenten. Doch im Nordwesten der USA will man die Hoffnung nicht aufgeben und erhofft sich gute Chancen auf die Austragung der Weltmeisterschaften 2021 – die Bewerbung für dieses Event soll in Kürze beschlossen werden. Schließlich ist auch Doha erst einmal gescheitert, um bei der zweiten Bewerbung die Zusage zu erhalten. „Leichtathletik ist in Oregon’s DNA enthalten und mit Abstand der populärste Sport in unserem Bundesstaat“, so Gouverneur John Kitzhaber – bei der Popularität der „Big four“ (American Football, Basketball, Baseball und Eishockey) in den USA ein starkes Statement.
Text: SIP / TK
Foto: IAAF - Philippe Fitte