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Bernard Kipyego hat es geschafft: In seinem elften Marathon feierte er seinen ersten Sieg. Und das gegen namhafte Konkurrenz.
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Premierensiege – Marathon der Überraschungen in Amsterdam
Der 39. Amsterdam Marathon hat zahlreiche Überraschungen auf Lager: Bei den Herren kann sich bei diffizilen Bedingungen keiner der drei Topfavoriten gut in Szene setzen, so dass die Besetzung auf dem Podest mit dem strahlenden Sieger Bernard Kipyego überraschend zu Stande kommt. Auch bei den Damen freut sich eine Außenseiterin über den größten Erfolg ihrer noch jungen Karriere.
Als der Kenianer Bernard Kipyego nach exakt 2:06:22 Stunden die Ziellinie des Amsterdam Marathon im traditionsreichen, charmanten Olympiastadion von Amsterdam überquerte, hatte die niederländische Hauptstadt einen interessanten Marathonlauf mit zahlreichen spannenden Wendungen in der Wettkampfdramaturgie erlebt. Und einen Überraschungssieg durch Bernard Kipyego, der mit diesem tollen Erfolg seinen ersten Sieg im Marathon beim elften Versuch feierte. Dabei verbesserte der WM-Fünfte über 10.000m von den Weltmeisterschaften in Berlin 2009 seine persönliche Bestleistung, welche vom Chicago Marathon 2011 stammte, um sieben Sekunden – angesichts der Bedingungen in Amsterdam eine bemerkenswerte Leistung. „Ich bin überglücklich, endlich habe ich einen großen Marathon gewonnen. Ich habe bei diesen Bedingungen das Maximum aus mir herausgeholt“, jubelte der 28-jährige Kenianer im Ziel, nachdem er die Siegesserie von Wilson Chebet beendet hatte. „Die Saison mit einer persönlichen Bestleistung zu beenden, stimmt mich sehr glücklich“, fügte er hinzu.
 
Vorsichtiger Auftakt
Bei ungewöhnlich warmen Bedingungen – für Marathonläufer fast schon heiß, denn das Thermometer zeigte bereits zum Start um 9:30 Uhr 17°C – machte sich das große Starterfeld auf den Weg. Die herrlichen Bedingungen für die Tausenden Zuschauer an der Strecke brachten die Läufer ordentlich ins Schwitzen. Zumal ein in Amsterdam alt bekannter Feind dem Marathon erneut einen Besuch abstattete, der Wind. Diese Ausgangsposition hatte zur Folge, dass das Elitefeld mit den Favoriten um Titelverteidiger Wilson Chebet konservativ ins Rennen startete: Nach fünf Kilometer waren noch 21 Läufer in der Spitzengruppe, nach zehn waren es immer noch sage und schreibe 19. Der anfängliche Verdacht, keiner der Topstars wollte angesichts der prekären Bedingungen zu früh zu hohes Risiko eingehen, sollte sich später als Fehleinschätzung entpuppen: Keiner der Favoriten hatte an diesem Tag das Leistungspotenzial, um den Wunsch eines neuen Streckenrekords von unter 2:05:36 Stunden (Wilson Chebet im Vorjahr) zu erfüllen.
 
Kuriositäten zum Schmunzeln
So waren es zwei Szenen aus der Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“, die den auf erste Tempoverschärfungen wartenden Zuschauern Unterhaltung boten. Der Brasilianer Marilson da Silva, der von Beginn an das nicht besonders hohe Tempo der Spitzengruppe mitgehen konnte, griff bei der zweiten Verpflegungsstation leicht daneben, sodass seine Flasche auf den Boden fiel. Der zweifache Sieger des New York City Marathon musste abbremsen, umkehren, die Flasche aufheben und wieder beschleunigen. Es war nur der Anfang eines Tags zum Vergessen für den mittlerweile 37-jährigen Olympia-Fünften von London, der in seiner Heimat als Marathon-Hero gefeiert wird. Die Ziellinie erreichte der Südamerikaner nicht – nicht als einziger namhafter Starter. Nur fünf Kilometer später, ein weiteres Missgeschick: Ein Betreuer wollte Titelverteidiger Wilson Chebet eine Flasche reichen, traf ihn mit dieser jedoch am Kopf. Auch eine Folge des dichten Gedränges in der außergewöhnlich großen Spitzengruppe.
 
Favoritensterben
Kurz vor Halbzeit des Rennens erreichte das Feld an einer Brücke über die Amstel eine Wende, von nun an blies der Wind den Athleten in den Rücken. Als die Spitze angeführt vom starken Tempomacher Eliud Tarus, der fast 33 Kilometer an der Führung verharrte, wenig später die Halbmarathonmarke in einer Zeit von 1:03:41 Stunden passierte, kam endlich Schwung in die Geschichte. Der ersten Tempoverschärfung fiel gleich der Äthiopier Dino Sefir, Bestzeit immerhin 2:04:50 Stunden, zum Opfer. Nach 28 Kilometer zeigte sich dann Doppelweltmeister Abel Kirui initiativ – mit direkter Wirkung. Erst verlor Ayele Abshero den Anschluss, Augenblicke später auch „Mr. Amsterdam“ Wilson Chebet. Die Arme beinahe schlaff herunterhängend, der Oberkörper unnatürlich weit nach vorne gebeugt – jedem war klar, Chebet konnte den vierten Sieg in Amsterdam nicht mehr realisieren. Der kenianische Amsterdam-Spezialist verließ die Stätte seiner größten Erfolge dieses Mal wortlos. Wie Chebet sah auch Abshero die Ziellinie nicht. Der Äthiopier, der laut Zeitenliste der schnellste Läufer im Feld war, wurde von einer TV-Kamera des holländischen Fernsehens eingefangen, wie er bei der letzten Passage durch den Vondelpark wenige Kilometer vor dem Ziel mit einem hartnäckigen Krampf in der linken Wage am Streckenrand lag und physiotherapeutisch versorgt wurde.
 
Auch der Weltmeister geschlagen
Auch Kirui, der zuvor noch Stärke vorgab, verlor nach 36 Kilometern die Spitzengruppe aus den Augen. Auch er hatte die optimale Laufhaltung längst unfreiwillig eingebüßt und war in eine unnatürliche Laufhaltung übergegangen, denn der Tank war leer. Fast stehend k.o. kam Kirui schlussendlich auf Rang sechs ins Ziel, dreieinhalb Minuten hatte er auf den letzten Kilometern auf Sieger Bernard Kipyego „aufgerissen“. Seine Zeit, 2:09:45 Stunden, ist vergleichbar bescheiden wie jene bei seinem Comeback in Tokio. Der Traum vom dritten WM-Gold in Peking 2015 scheint damit weit in Ferne gerückt, denn die Qualifikation für die kenianische Nationalmannschaft dürfte eine sehr hohe Hürde sein und erfordert zumindest ein Topresultat im kommenden Frühling. Nach dem ernüchternden Ergebnis von Amsterdam gab der erfahrene Kirui zu, mit Malaria-Symptomen zu kämpfen. Der Verdacht einer Schutzbehauptung scheint angesichts seines hoffnungsvollen Auftritts auf den ersten 35 Kilometern nicht weit hergeholt.
 
Entscheidung vor dem Rijksmuseum
Vier Läufer, die die Gunst der Stunde unbedingt ausnützen wollten, hatten sich nun an der Spitze festgesetzt: Neben Kipyego waren es Lucas Rotich, John Mwangangi und der kenianische Katari Essa Rashed, der seit zehn Jahren für den Staat am Persischen Golf auf Zeitenjagd geht und früher einmal Daniel Kipkosgei hieß. Die Entscheidung fiel unmittelbar, als die Spitzengruppe am bekannten Rijksmuseum vorbeilief. Bernard Kipyego trat an und zog das Quartett auseinander. Von da an marschierte der 28-Jährige durch und erreichte das mit rund 6.000 Zuschauern nicht gerade randvolle Olympiastadion als Solist, die letzten Meter auf leichter Sparflamme, denn auch Kipyego hatte alles aus seinen Körper herausgeholt. „Ich wollte puschen, deshalb habe ich Lucas gebeten das Tempo zu erhöhen, um Kirui loszuwerden. Das hat super geklappt“, bedankte sich der Sieger bei seinem Freund und Trainingspartner Lucas Rotich. Ein weiterer Dank ging an das Publikum: „Die Zuschauer haben mich gepuscht, als ich alleine unterwegs war. Das hat mich extrem motiviert.“
 
Fantastisches Duell um Rang zwei
Rotich lieferte sich mit seinem Landsmann John Mwangangi ein fantastisches Duell um Rang zwei – ein Kampf zwischen zwei jungen Marathonläufern. Als Kipyego attackiert hatte, musste Mwangangi als Erster abreißen lassen, doch der ehemalige WM-Dritte im Halbmarathon fing sich und überholte hintereinander erst Rashed, dann Rotich. Doch der 24-Jährige gab nicht auf und zog einen Kilometer vor dem Ziel wieder an Mwangangi vorbei und sicherte sich den zweiten Platz. Mit seiner Zeit von 2:07:18 Stunden torpedierte er seine persönliche Bestleistung aus Hamburg um mehr als zwei Minuten, ebenso wie Mwangangi in 2:07:28 Stunden, der 38 Sekunden schneller war als im Frühjahr, ebenfalls in der Hansestadt.
 
Hailus Aus forciert ersten Triumph Moges
In der TV-Übertragung des niederländischen Fernsehens wurde das Damen-Rennen nicht nur sträflich vernachlässigt, sondern abgesehen vom Zieleinlauf gänzlich ignoriert, was fast einer skandalösen, sportjournalistischen Herangehensweise gleicht, auch wenn der Damen-Bewerb nicht annähernd so stark besetzt war wie jener der Herren. Zur leichten Verteidigung muss allerdings erwähnt werden, dass die sportlichen Leistungen auch nicht unbedingt eine zu starke mediale Widmung herbei beschworen. Eine mehr als durchschnittliche erste Hälfte wurde von einer noch langsameren zweiten Hälfte abgelöst, in der ein unspektakuläres Ausscheidungsverfahren von statten ging. Als die erklärte Topfavoritin Meseret Hailu nach 30 Kilometern ausstieg, war zumindest eines klar: Auch im 33. Jahr in Folge sollte es beim Amsterdam Marathon eine neue Siegerin geben. Die Gunst der Stunde nutzte die 23-jährige Äthiopierin Betelhem Moges, die mit einiger Anstrengung das Ziel in einer Zeit von 2:28:35 Stunden erreichte. „Es ist schade, dass ich keine persönliche Bestleistung laufen konnte aufgrund des Wetters“, so Moges, die sich über ihren allerersten Marathonsieg freuen durfte. Neben ihr aufs Stockerl schafften es die Kenianerin Ogla Kimaiyo, die ihre Bestleistung um monströse siebeneinhalb Minuten (!!!) auf eine Zeit von 2:29:15 Stunden senkte, und Diane Nukuri-Johnson aus Burundi, die in Kanada lebt und trainiert. Ihre 2:29:35 Stunden bedeuteten übrigens nicht nur eine persönliche Bestleistung, sondern einen neuen Landesrekord für die kleine ostafrikanische Nation. Dank des spärlich besetzen Elitefelds beim diesjährigen Amsterdam Marathon der Damen schaffte die Schweizerin Maude Mathys ein Spitzenresultat bei einem großen Marathon und wurde in einer Zeit von 2:48:14 Stunden Achte.
 

Ergebnisse Amsterdam Marathon
 
Herren
1. Bernard Kipyego (KEN) 2:06:22 Stunden
2. Lucas Rotich (KEN) 2:07:18 Stunden
3. John Mwangangi (KEN) 2:07:28 Stunden
4. Essa Rashed (QAT) 2:07:54 Stunden
5. Elijah Kemboi (KEN) 2:09:21 Stunden
6. Abel Kirui (KEN) 2:09:45 Stunden
7. Philemon Rono (KEN) 2:10:23 Stunden
8. Nicholas Kipkemboi (KEN) 2:13:57 Stunden
9. Marcos Sanza (ESP) 2:16:59 Stunden
10. Solonei da Silva (BRA) 2:17:23 Stunden
 
Damen
1. Betelhem Moges (ETH) 2:28:35 Stunden
2. Ogla Kimaiyo (KEN) 2:29:15 Stunden
3. Diane Nukuri-Johnson (BUR) 2:29:35 Stunden
4. Megertu Ifa (ETH) 2:32:21 Stunden
5. Guteni Shone (ETH) 2:36:57 Stunden
6. Claudia Pereira (POR) 2:37:13 Stunden
7. Worknesh Alemu (ETH) 2:38:07 Stunden
8. Maude Mathys (SUI) 2:48:14 Stunden
9. Elise Selvikvag-Molvik (NOR) 2:49:16 Stunden
10. Jacelyn Gruppen (NED) 2:55:43 Stunden
 
Amsterdam Marathon
Text: SIP / TK
Foto: SIP - Johannes Langer