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Beim Coca-Cola Junior-Marathon im Rahmen des Salzburg Marathon laufen die Kinder eine Strecke von 804,5m, die Jugendlichen eine von 1.609m. Auch wenn der sportliche Einsatz bemerkenswert ist, das Vergnügen steht hier nicht nur bei den Siegern im Vordergrund.
GESUNDHEIT UND ERNäHRUNG
Kinder und Leistungssport – ein zweischneidiges Schwert
Ein 2011 veröffentlichter Dokumentarfilm mit dem Titel „Marathon Boy“ skizziert die Geschichte eines jungen Inders, der bereits im Kindesalter riesige Laufdistanzen absolvierte, bevor ihm der Laufsport gesetzlich verboten wurde. Die abrupt beendete Kinder-Laufkarriere war erneut ein Anstoß der Diskussionen, wie schädlich Langstreckenlauf für Kinder sei. Besonders die Gelenke, Sehnen und Knorpel können zu hoher Belastung im Kindesalter nicht standhalten.
Wunderkinder im Sport gibt es viele: Skispringer Gregor Schlierenzauer war bei seinem ersten Weltcupsieg gerade einmal zarte 16 Jahre alt und ist im Alter von nur 24 Jahren bereits der erfolgreichste in seiner Sportart aller Zeiten. Die Schweizer Tennisspielerin Martina Hingis gewann 1997 die Australien Open mit 16. Und bei den Olympischen Spielen von London erstaunte die 16-jährige Chinesin Ye Shiwen die Fachwelt mit einem fabelhaften Weltrekord in der Disziplin 400m Lagen, ihre um ein Jahr jüngere Berufskollegin Ruta Meilutyte aus Litauen gewann ebenso Gold und ist als Teenagerin bereits am sportlichen Olymp angekommen. Im Langstreckenlauf sind die Verhältnisse etwas anderes: Wunderkinder sind seltener, die erfolgreichen Athleten sind meist arrivierte und erfahrene Sportler.

48 Marathons als Vierjähriger
Wenn Kinder Leichtathletik betreiben, so stellt man sich meistens Sprint- oder Mittelstrecken vor. Aus einem ganz anderen Holz geschnitzt ist der Inder Budhia Singh, heute 12 Jahre alt. Im Alter von nur vier Jahren erstaunte das aus völlig verarmten Verhältnissen stammende Kind 2006 die Laufwelt, als bekannt wurde, dass er eine Strecke von 65 Kilometern laufend in einer Zeit von rund sieben Stunden zurückgelegt hat. Zur Abhärtung ohne die Zufuhr von Getränken und Nahrung. Diese außergewöhnliche Leistung sorgte für internationale Schlagzeilen und verschaffte dem Kind einen Eintrag in das indische Rekordbuch Limca. Sechs Halbmarathons ist Budhia im Alter von vier Jahren bereits gelaufen, als die indische Regierung anordnete, dass er aus gesundheitlichen Gründen bis 2013 nicht mehr laufen dürfe. Andere Quellen sprechen sogar von 48 Marathons. Sein Trainer Biranchi Das, der Budhia zum Laufen brachte, ihn im Training drillte, und Jahre später bei einer Schießerei verstarb, reagierte damals enttäuscht: „Budhia hatte einen Traum, der sich jetzt nicht erfüllt. In Russland, Korea und China starten alle Athleten mit drei Jahren mit ihrem Training. Wenn man keine Risiken eingeht, hat mein keinen Erfolg. Ich habe das Risiko mit Budhia genommen und wir hatten Erfolg“, so der Trainer damals.

Österreichische Staatsmeisterin im Marathonlauf mit 12
Dieser Zugang zum Laufsport ist aus unserer Sichtweise ein exotischer: Marathon laufende Kinder sind in Österreich eine Seltenheit, auch wenn es keine Vorgaben des ÖLV gibt. In Deutschland dagegen ist Marathonlaufen für Kinder seit 30 Jahren verboten. Doch Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: Die US-Amerikanerin Mary Etta Boitano war in den 70er Jahren gerade einmal zehn Jahre alt, als sie einen Marathon in einer Zeit von knapp über drei Stunden absolvierte. Die Salzburgerin Monika Frisch wurde 1983 im Rahmen des Wien Marathon Österreichische Staatsmeisterin im Marathonlauf in einer Zeit von 3:10:03 Stunden und war damals keine 13 Jahre alt, nur ein Jahr später wurde sie Staatsmeisterin im Berglauf. Und vor wenigen Monaten kündigte die zwölfjährige Blanca Ramirez aus Kalifornien an, sieben Marathons auf sieben Kontinenten laufen zu wollen: drei 42,195-km-Läufe hat sie schon in den Beinen.

Hohe Belastungen für Gelenke, Sehnen und Knorpel
Von ihren körperlichen Voraussetzungen her können Kinder Erstaunliches vollbringen, zu dieser Feststellung kann man beim Beobachten spielender und laufender Kinder im Alltag schnell kommen. Tatsächlich sind die kleinen und leichten Körper auch prädestiniert für Ausdauersport und sind auch dank der höher angesiedelten Herzfrequenz tadellos trainierbar. Wundersam wirkende, jugendliche Erfolge in Sportarten wie Schwimmen oder Turnen ergründen sich in den idealen Kraft-Last-Verhältnissen jugendlicher Körper. Häufig beenden Sportler allerdings nur wenige Jahre nach riesigen Erfolgen im Jugendalter ihre Karrieren, da die Motivation rasch abhanden kommt.

Kindgerecht sind Ausdauersportarten wie Marathonlaufen jedenfalls nicht, empfehlenswert erst recht nicht. Und zwar nicht nur aufgrund der Gefahr, dass Kinder beim eintönigen Dauerlauf schnell die Lust verlieren. Denn aus pädagogisch-psychologischer Sicht sind gleichbleibende körperliche Belastungen im Sport absolut nicht kindgerecht. Aus medizinischer Perspektive gilt es zu beachten, dass Gelenke, Sehnen oder Knorpel bei Kindern und jungen Menschen, die die biologische Maturität noch nicht erreicht haben, lange nicht so belastbar sind wie bei Erwachsenen, die Gefahr von Langzeitschäden ist hier existent. Langzeitstudien für genauere wissenschaftliche Aussagen zu dieser Thematik fehlen allerdings.

Natürlicher Bewegungsablauf für Kinder
Die kritische Auseinandersetzung mit jungen Laufwundern ist also aus mehreren Perspektiven absolut angebracht. Eine spielerischer und abwechslungsreiche Herangehensweise an den Laufsport ist für Kinder allerdings sehr empfehlenswert, aus gesundheitlichen Gründen wie auch für eine gute Entwicklung des jugendlichen Körpers. Laufen ist ein natürlicher Bewegungsablauf eines Kindes und gehört zu seinem Alltag dazu. Wichtig hierbei ist, dass den Kindern der Spaß und die Freude an der sportlichen Aktivität nicht abhanden kommt, sportliche Wettkämpfe sollten auf kürzeren Laufdistanzen ausgetragen werden.
Text: SIP / TK
Foto: Salzburg Marathon – Salzburg Cityguide