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Es war kein Augen-zu-und-durch, sondern viel mehr als erleichtertes „Geschafft!“, das den Gesichtsausdruck Sifan Hassan beim erfolgreichen Überqueren der Ziellinie beschreibt.
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Perfektes Rennen im Letzigrund – Hassan deklassiert Aregawi
Es war ein großes Duell erwartet worden zwischen Sifan Hassan und Abeba Aregawi, am Ende war es ein sehr einseitiges. Mit einem mehr als beeindruckenden Auftritt demonstriert die junge Niederländerin, dass sie zurecht zur Weltspitze über 1.500m gezählt werden muss. Die Schwedin hat nicht den Hauch einer Chance.
Aufreizend, lässig, mit der Konkurrenz spielend – was Sifan Hassan in der ersten Rennhälfte mit der Konkurrenz machte, kann nicht anders beschrieben werden. Als würde sie die Veranstaltung nichts angehen, als hätte sie keine Lust aufs Laufen. Doch es war alles taktisches Geschick und Kalkül. Fast 1.000m lang positionierte sich die vor sechs Jahren als Flüchtling aus Äthiopien in die Niederlande gekommene 21-Jährige an die letzte Stelle des zwölfköpfigen Finalfeldes. Wohl auch im Wissen, dass Aregawi vorne nicht aufs Tempo drücken würde. Denn wer mit dem Feuer spielt, kann sich auch verbrennen. Doch nicht in diesem Fall. Und dann kam der Moment, an dem sie erwachte. Just, als die Britin Laura Weightman an der Spitze das Tempo leicht forcierte, setzte Hassan zu einem Zwischensprint an. In Windeseile überholte sie auf der Schlussgeraden der vorletzten Runde das gesamte Feld in einem Zug und setzte sich vor die Nase der Schwedin Abeba Aregawi, die genau in diesem Moment das Heft in die Hand nehmen wollte.

Strategische Meisterleistung
Und damit hatte Hassan die 24-jährige Äthiopierin, die für Schweden an den Start geht und im vergangenen Jahr inklusive der Weltmeisterschaften ungeschlagen geblieben war, am falschen Fuß erwischt. Überhastet drängte sich Aregawi an die Spitzenposition und wollte ihrer Rivalin ihr Tempo aufzwingen. Und jetzt ging die Post ordentlich ab! Doch Hassan ließ sich nicht beeindrucken, setzte sich in der letzten Kurve an ihre Seite und spazierte im Sauseschritt vorbei, als wäre es das einfachste der Welt. Der Triumph in einer nach wirklich langsamen ersten 800 Metern noch sensationell starken Zeit von 4:04,18 Minuten fiel nicht so deutlich aus, wie die Kräfteverhältnisse sich auf der Laufbahn im Letzigrund darstellten. Die Schlussrunde Hassans, komplettiert in 60,81 Sekunden, ist mehr als nur eine Erwähnung Wert, es war im Grunde genommen ein perfektes Rennen. „Ich wusste, dass ich gewinnen würde. Ich fühle mich richtig wohl, wenn die Rennen schnell werden. Im Moment kann ich meine Emotionen gar nicht beschreiben“, freute sich die junge Niederlande, die erst seit Ende des Jahres die Staatsbürgerschaft ihrer neuen Heimat in der Tasche hat, über den größten Erfolg ihrer Karriere. Und wenn Hassan so weiter macht, kann das eine ganz große Karriere werden.

Doppelschlag?
Vielleicht macht sie bereits heute so weiter: Den Sifan Hassan ist nur 22 Stunden nach ihrem Triumph über die 1.500m auch über 5.000m am Start. Und wenn sie sich einigermaßen erholt, dann auch als Medaillenkandidatin. „Natürlich will ich wieder um Gold kämpfen. Aber jetzt freue ich mich erst einmal auf ein Bad und einen sehr erholsamen Schlaf“, lächelte die Holländerin.

Aregawi akzeptiert Niederlage
Plötzlich ist Abeba Aregawi aus dem Rampenlicht verschwunden. Mit ihren fantastischen Leistungen bei der Diamond League in Paris und bei der EM in Zürich ist Sifan Hassan nun die umstrittene Nummer eins in dieser Disziplin. Dieses Gefühl kennt die Schwedin, die davor eineinhalb Jahre über diese Distanz dominiert hatte und sowohl in Moskau im Freien als auch in Sopot in der Halle Weltmeisterin wurde. Dass es nun eine stärkere gibt und ihr nur die Silbermedaille blieb, nahm Aregawi sportlich gelassen: „Es ist gut für mich, dass da jemand ist, der schneller ist als ich. Das puscht mich für die Zukunft. Das Ergebnis heute ist ok. Im Sport ist es halt so: manchmal gewinnt man und manchmal nicht.“ Ein bemerkenswertes Interview, viele hätten sich an ihrer Stelle sicherlich anders geäußert. Vielleicht hätte die Schwedin im Rückblick taktisch anders laufen sollen und von Beginn an ein höheres Tempo anschlagen, um Hassans gemütliches Auftaktrennen an letzter Position zu verhindern. Im Gegensatz zu Hassan war dies Aregawis einziger Auftritt in der Schweiz, die Schwedin bereitet sich nun auf ihren Auftritt von heimischem Publikum im Rahmen des Diamond League Meetings in Stockholm kommende Woche vor. Und mit ihrer Klasse darf man erwarten, dass Aregawi bald wieder selbst im Rampenlicht stehen wird.

Weightman sichert Bronze
Das Rennen gestaltete sich also so, wie man es durchaus erwarten konnte: Zwei Protagonistinnen, die die gesamte Aufmerksamkeit für sich beanspruchten. Es wäre aber ein großer Fehler, nicht über die drittplatzierte Laura Weightman zu sprechen, die ein tolles Rennen ablieferte. Im Wissen, dass die 23-jährige Olympia-Finalistin (noch) nicht in den Zweikampf an der Spitze eingreifen konnte, legte sie ihr Rennen taktisch auf das Erreichen der Bronzemedaille aus und das gelang. Als das Rennen in die entscheidende Phase ging, lief sie aktiv und schlug ihr Tempo an. Die Bronzemedaille, Weightmans zweiter internationaler Erfolg binnen weniger Wochen nach Silber bei den Commonwealth Games, in einer Zeit von 4:06,32 Minuten war der verdiente Lohn. „Es ist unglaublich! Ich bin wirklich glücklich, dass ich so lange mit Hassan und Aregawi zusammenbleiben konnte und die Bronzemedaille gewinnen konnte. Hätte mir einer diese beiden Erfolge vor der Saison prognostiziert, ich hätte ihn für verrückt erklärt“, jubelte die junge Britin. Das Nachsehen im Kampf um Bronze hatten die Polin Renata Plis und die überraschend starke Italienerin Federica Del Buono, die in 4:07,49 Minuten eine neue persönliche Bestleistung aufstellte. Die Deutsche Diana Sujew konnte wie erwartet nicht in den Kampf um die Medaillenplätze eingreifen, zeigte aber mit dem achten Platz eine gute Leistung.


Ergebnis 1.500m der Damen

1. Sifan Hassan (Niederlande) 4:04,18 Minuten
2. Abeba Aregawi (Schweden) 4:05,08 Minuten
3. Laura Weightman (Großbritannien) 4:06,32 Minuten

4. Renata Plis (Polen) 4:06,65 Minuten
5. Federica Del Buono (Italien) 4:07,49 Minuten
6. Hannah England (Großbritannien) 4:07,80 Minuten
7. Anna Shchagina (Russland) 4:08,05 Minuten
8. Diana Sujew (Deutschland) 4:08,63 Minuten
9. Ingvill Makestad Bovim (Norwegen) 4:08,85 Minuten
10. Nataliya Pryshchepa (Ukraine) 4:08,89 Minuten

Leichtathletik-Europameisterschaften 2014 in Zürich
EM-Zeitplan
Text: SIP / TK
Foto: European Athletics - Getty Images